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Nicht lecker, aber Weltrekord

Nicht lecker, aber Weltrekord

Titel: Nicht lecker, aber Weltrekord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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direkt neben der unsrigen ein gemütliches Nest zu errichten, war es leider an der Zeit, die Rückfahrt anzutreten.
    Russische Trucker kamen nicht an Bord, ebenso wenig wie die litauische Rockergang. Die ehemaligen Erdkundelehrerehepaare schoben ihre Trekkingräder im gebührenden Abstand voneinander in den Frachtraum. Dreißig Jahre Ehe hatten der Prüfung, die Litauen für eine Beziehung bereithält, nicht standhalten können. Da sie nicht mehr bereit waren, ihre Kabinen miteinander zu teilen, saßen sie alle, weit voneinander entfernt, über das ganze Deck verstreut an Einzeltischen, jeder mit einem Kanister bernsteinfarbenem Bier vor sich. Sie alle lächelten, als dächten sie dasselbe wie wir: »Immerhin – landschaftlich war es sehr reizvoll.«

Eichhörnchen
    Papier ist geduldig, Banken nicht. Die Schriftstellerei bleibt somit ein ambivalenter Beruf, es sei denn, man verfügt über Berater, deren Spürnase man vertraut.
    »Schreib doch mal was Richtiges«, schlug meine Mutter also vor, »ich meine etwas, was sich verkauft.«
    Selbstverständlich hatte sie den Markt sondiert, bevor sie mit diesem kühnen Vorschlag an mich herantrat: »Schreib doch mal etwas über Drachen! Die gehen immer gut.«
    Warum war ich nicht selbst darauf gekommen? Drachen sind von jeher die Lieblinge der Weltliteratur: Die Nibelungen wären ohne einen zünftigen Drachen nie zum Verkaufshit geworden, Jim Knopf hätte ohne Frau Mahlzahn äußerst hölzern gewirkt, und wenn ich mich recht entsinne, kam auch Harry Potter nicht ohne den einen oder anderen Lindwurm aus.
    Also begann auch ich mit der Verfertigung eines Jahrhundertromans, der sich um eine schuppige Echse ranken sollte. Als ich bereits auf Seite 277 (inklusive Zeichnungen) angelangt war, überkam mich eine Schaffenskrise: Brauchte die Welt wirklich noch einenweiteren Drachen? Und dann auch noch ausgerechnet meinen Drachen?
    Als ich das Manuskript überprüfte, musste ich zugeben, dass ich etwas sparsam mit dem Umgang von unerwarteten Wendungen gewesen war. Ein Dutzend Mal allein zählte ich den Satz: »Er spie Feuer.« Und all diese Verwicklungen spielten sich bereits im ersten Kapitel ab. Wirkliche Neuigkeiten hielt mein Buch nicht für Drachenfans parat, die Charaktere durchliefen keine nennenswerte Entwicklung: »Die Menschen fürchteten sich vor dem Drachen, der in seiner Höhle Feuer spie.« Einige Abschnitte später hieß es: »Sie fürchteten sich immer noch, da der Drache weiter spie. Feuer, natürlich.«
    Was auf sachlicher Ebene bestimmt richtig ist, taugt eben nicht immer, um den Leser zu fesseln. Notfalls ließe sich dieses Manko noch ausbügeln, indem der Verlag »Non-Fiction« auf das Cover drucken würde.
    Doch dann durchfuhr es mich wie ein Blitzschlag: Es lag gar nicht an mir, dass das Buch in sich eher saublöd denn spannend war. Nicht ich trug Schuld an meinem Versagen, sondern der Drache. Drachen sind einfach durch. Drachen sind rückständig, zwanzigstes Jahrhundert, Schnee von gestern. Deswegen schreiben jetzt auch alle Vampirbücher. Doch bevor ich noch einmal so dumm sein werde, mich in bestehenden Nischen einzumummeln, werde ich mich an etwas Eigenes wagen, an etwas Größeres, Imposanteres, etwas, gegen das ein auf einem Drachen reitender Vampir einpacken kann. Ich werde endlich über die wahren Bestien berichten, über jene Furcht einflößenden Monster schreiben, dieunsere Gesellschaft in Angst und Schrecken versetzen, über Vorboten der Apokalypse, die grausamen Rächer der Natur, und ich rede von den Tieren, die uns alle angehen: Eichhörnchen.
    Also ehrlich gesagt habe ich gar nichts gegen Eichhörnchen, im Gegenteil. Es bereitet mir sogar großes Vergnügen, die possierlichen kleinen Racker bei ihrem Tagewerk zu beobachten. Die meisten Eichhörnchen scheinen sich ihre Nüsse mit Rumhuschen zu verdienen, einige sind aber auch mit Klettern und nervös Gucken vollkommen ausgefüllt. Alle Eichhörnchen, die ich kenne, leiden unter ADHS, sind aber trotzdem niedlich dabei, weil sie ja keine Eltern haben, denen sie damit auf den Sack gehen können, wenn diese sich gerade selbstverwirklichen wollen.
    Wellness und autogenes Training sind komplett unbekannt in der Eichhörnchen-Gesellschaft, selbst in sogenannten Ruhephasen benehmen sich die kleinen Nager noch wie Wahrsager auf Speed und rollen unscheinbare Haselnüsse in ihren Pfötchen herum, als könnten sie damit die Lottozahlen vorhersagen. Und es gibt noch etwas, was Eichhörnchen tun. Eichhörnchen

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