Nicht lecker, aber Weltrekord
Kindern sei. Nicht dass ich eine hätte, aber gewisse Themen erfordern eine gewisse Ernsthaftigkeit.
Er verstand das nicht, ging aber trotzdem und verließ mich für ein »lecker Mädschen«, dem er noch was beibringen konnte, sowohl Pänz als auch Kölsch. Die junge Dame, Margarethe, stammte aus Polen und war tatsächlich eine ganz Nette, wenn es mich auch nicht verwundern würde, wenn sie im Mobiltelefon meines Düsseldorfer Exfreundes unter dem Namen »Glockengrete« abgespeichert wäre.
Folgende Konversation, die ich zwischen ihr und meinem Kölner Exfreund belauschen durfte, zeigt vielleichtnoch einmal zusammenfassend, wo das grundsätzliche Problem des Rheinländers mit der Toleranz liegen könnte.
Margarethe: »Ich war während des Karnevals …«
Mein Kölner: »Watt warst do? Watt soll denn dat sein: während des Karnevals, Liebschen?«
Margarethe: »Äh, ich meine während dem Karneval …«
Mein Kölner: »Nä, su onitt.«
Margarethe: » Im Karneval war ich…«
Mein Kölner: »Ja, fast. Gleesch hasess, versuchet nochens!«
Margarethe: »Also, Karneval, da war ich …«
Mein Kölner: »Jenau, jetzt haset. Wo wors denn Karneval?«
Margarethe: »Karneval war ich stockbesoffen.«
Mein Kölner: »Jod jemaat, Mädschen!«
Ich denke, das ist wahre Liebe, wo wenn man sisch verstehen tut, nicht nur teschnisch, sondern rischtisch.
Bitte lächeln
»Wie seid ihr denn auf Litauen gekommen?«, fragten uns alle, wenn auch in unterschiedlichen Tonfällen. Selbst meine Eltern reagierten etwas gereizt, so als dächten sie: »Oh, da wollen wir wohl mal ein bisschen individuell sein, wie? Spanien oder die Karibik sind der Madame wohl nicht exotisch genug, was?«
Die meisten jedoch bekundeten echtes Interesse und erwarteten eine spannende Antwort von uns, wie etwa: »Das Baltikum hat mich seit jeher gereizt, aber als unser gemeinsamer Freund Anastasios dann über seine Heimat erzählte, sind wir richtig neugierig geworden …« Oder auch: »Meiner Großcousine mütterlicherseits hat da so einen alten Bauernhof, den wir gemeinsam restaurieren wollen.« Für flüchtigere Bekannte wäre auch etwas Sportliches als Beweggrund plausibel gewesen, eine Antwort wie: »Ach, das nördliche Litauen ist einfach ein Paradies für Hobbybogenschützen, und wenn wir die neue Ausrüstung mal probieren wollen, dann auch richtig!«
All diese Ausflüchte hätten zu Gesprächen geführt, die unweigerlich in dem anerkennenden Satz unseresGegenübers geendet hätten: »Landschaftlich soll es ja wunderschön dort sein. Macht viele Fotos, vielleicht fahren wir ja auch mal dahin.« Andere Menschen hätten auf diese Weise angenehme Abende erlebt, an deren Ende sich alle Teilnehmer ein wenig weitergebildet hätten fühlen dürfen. Doch die Wahrheit ist eben nicht angenehm, daher mussten wir auch mit einer ehrlichen, aber völlig belämmerten Reisezielbegründung aufwarten, die uns selbst, je öfter wir sie wiederholen mussten, noch mehr als üblich an unserer Hirntätigkeit zweifeln ließ:
»Wir haben bei Vox-Tours was über die Ukraine gesehen. Da waren im Herbst so große Vögel.«
Der weitere Gesprächsverlauf geriet durch diese Information stets ein wenig ins Stocken. Freundlich aber bestimmt wurden wir darauf hingewiesen, dass die Ukraine nicht Litauen sei. Da wären sie sich zufällig ganz sicher, das müssten sie nicht nachschauen. Besonders unterbeschäftigte Sozialpädagogen machten uns noch besserwisserisch darauf aufmerksam, dass unser Reisetermin Ende Juli nicht unbedingt der Jahreszeit Herbst zuzurechnen sei, nicht in diesen Breitengraden.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurden wir dann bockig: »Na, und? Wir wollen ja auch keine Vögel beobachten!«
Dieser Satz wurde zu einer Art Grundstein unserer Reisevorbereitung, wenn nicht gar die Reisevorbereitung an sich. Ich kann jedem halbwegs spontan Reisenden nur empfehlen, sich solch realistische Ziele zu setzen. Man wird so kaum enttäuscht.
Als Zugeständnis an die nicht zu beobachtenden Vögel beschlossen wir zudem, ihren Lebensraum nicht nur zu respektieren, sondern auch zu meiden, sprich: Statt mit einem Flugzeug, das auf der Internetseite aussah, als hätte Ronald McDonald es konstruiert und bemalt, zogen wir es vor, uns unserem Reiseziel per Schiff zu nähern.
An der Bahnhofsbuchhandlung in Kiel hat uns dann aber doch die Planungslaus gebissen – wir erstanden in letzter Minute einen Reiseführer mit Vokabelhilfe, zufälligerweise in Deutsch-Litauisch. Sofort
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