Nicht mehr tun, was andere wollen
der Nacht sterben würde. Da beschloss er, ihnen zu beweisen, dass sie sich irrten. Nach eigenen Angaben setzte er eine Art Selbsthypnose ein, um die langen Stunden jener Nacht zu überleben. Den Rest seines Lebens verbrachte er im Rollstuhl, geplagt von starken Schmerzen, die er durch Selbsthypnose und kognitive Techniken in Schach hielt. Erickson sollte eine der wichtigsten Figuren im Bereich der Hypnose werden.
Das Neue an Ericksons Ideen war, dass er sich auf den Patienten konzentrierte und meinte, dass dieser die ganze Arbeit machte– im Gegensatz zur Auffassung der Hypnotiseure vor ihm, die das Gewicht auf ihre eigenen » magnetischen« Persönlichkeiten gelegt hatten. Er nahm der Hypnose auch das magische bis okkulte Moment und bezeichnete sie als eine Methode, jemand in einen Zustand ganz starker Konzentration zu versetzen. Nicht mehr und nicht weniger.
Er war berühmt für seine Fähigkeit, sich verschiedensten Situationen anzupassen, und variierte seine Methoden je nach den Bedürfnissen seiner Patienten, statt an einer starren Methode festzuhalten. Oft setzte er Metaphern und Erzählungen ein, um indirekte Veränderungen bei seinen Patienten zu erzielen, und zudem besaß er eine gesunde Portion Humor, der in seiner Arbeit oft durchschimmerte. Sogar Ericksons Kritiker müssen ihm lassen, dass er ein sehr charismatischer und faszinierender Mensch war.
Es sind viele Bücher über seinen Stil und seine Methoden geschrieben worden, und seine Hypnosetechnik hat eine ganze Schule begründet. Ericksons Methoden liegen auch dem Feld zugrunde, das sich heute NLP (Neurolinguistische Programmierung) nennt und in den 80er und 90er Jahren sehr populär war.
Die Begründer der NLP, John Grinder und Richard Bandler, unterzogen u. a. Ericksons Arbeit einer sorgfältigen Analyse und versuchten den Grund für seinen Erfolg zu finden. Doch da gibt es ein Problem: Man kann nicht recht sagen, wie gut Ericksons Methoden eigentlich sind. Dass sie bei ihm selbst gut funktionierten, ist sicherlich wahr, auch wenn er seine Berichte über bestimmte Behandlungen in Metaphern seiner Arbeit umwandelte– das erschwerte es zuweilen, ihren Wahrheitsgehalt richtig einzuschätzen. Doch es ist zweifelhaft, ob irgendein anderer Therapeut jemals Ericksons Niveau an Sensibilität, Einfallsreichtum und Flexibilität erreichen wird. Sein legendäres Charisma und sein Charme spielten natürlich auch eine wichtige Rolle bei seinen Erfolgen– heutzutage könnte man meinen, das sind Eigenschaften, die einem bei der therapeutischen Ausbildung geradezu abtrainiert werden. Erickson ersetzte das Bild des alten Hypnosezauberers mit starrem Blick und barschen Befehlen durch einen Therapeuten, der die Bedürfnisse des Patienten erkannte und diskrete Vorschläge machte. Er vermied jede Mystifizierung und sprach stattdessen von Entspannung, Konzentration und Kommunikation. Heute würden sicher die meisten behaupten, dass Erickson der Vater der modernen Hypnosetherapie ist.
Aber was ist Hypnose denn nun eigentlich?
Wenn völlig normale Menschen die Augen schließen, in schlafähnliche Trance zu fallen scheinen und seltsame bis ungewöhnliche Dinge tun, kommt man leicht zu dem Schluss, dass sie einem geheimnisvollen Einfluss ausgesetzt sind und sich in einem ganz außergewöhnlichen Bewusstseinszustand befinden.
Die Zuschauer sind immer wieder völlig verblüfft, wenn ein Hypnotiseur sich wahllos Leute aus dem Publikum auf die Bühne holt und sie innerhalb weniger Sekunden in einen Zustand versetzt, in dem sie bestimmte Körperteile nicht mehr bewegen können, ihren Namen vergessen oder mit einer Gurke rummachen. Leute, die so seltsame Sachen tun, müssen doch entweder völlig verrückt sein oder sich in diesem befremdlichen mentalen Zustand namens Hypnose befinden, oder? Man kann sich nur schwer vorstellen, dass sie nicht vollkommen von den magischen Superkräften des Bühnenkünstlers gesteuert sind. Deswegen kommt es Ihnen vielleicht komisch vor, wenn ich Ihnen jetzt erzähle, dass der Hypnotiseur überhaupt nicht über irgendwelche besonderen Kräfte verfügen muss, dass die Teilnehmer nur seinem Willen folgen und dass ausschließlich Suggestion und ihre eigene Fantasie für ihr Verhalten verantwortlich sind. Aber das ist so.
Damit will ich nicht sagen, dass Hypnose Fake ist. Ich habe zwei Dinge erwähnt, die leicht übersehen werden, aber komplexer sind, als man meint, und zwar die Fähigkeit des Teilnehmers, dem Willen des Hypnotiseurs zu
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