Nicht mehr tun, was andere wollen
bei ihm, dass er einen Weg finden musste, Massenbehandlungen durchzuführen. Er erfand das » baquet«, eine Art Holzzuber mit herausragenden Eisenstäben. Für jeden der Patienten, die im Kreis saßen, gab es einen solchen Stab, und untereinander waren sie durch eine Schnur verbunden. Irgendwie konnte Mesmer damit die magnetischen Strömungen in allen Patienten gleichzeitig aktivieren und so mehrere Menschen gleichzeitig behandeln.
Mesmers Party dauerte bis 1784, dann kam eine von König Ludwig XIV. beauftragte Untersuchungskommission zu dem Schluss, dass es im Körper keine neu entdeckte physische Substanz namens » animalischer Magnetismus« gebe. In einem Anfall ungewöhnlichen Scharfsinns schrieben sie die Wirkung von Mesmers Behandlung, so weit sie denn funktioniert hatte, den » Einbildungskräften« seiner Klienten zu.
Heute können wir leicht über den pompösen Mesmer lachen und uns vorstellen, wie er gleich einem späten Merlin mit fliegenden lila Rockschößen herumschwebte und der Gesellschaft unablässig Stoff für ihren Klatsch lieferte. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass Mesmer deswegen solche Aufmerksamkeit mit seinen Behandlungen erregte, weil sie tatsächlich funktionierten. Manchmal jedenfalls. Der Wanderpriester José Custódio de Faria (Abbé Faria für seine Freunde) begriff, was wahrscheinlich dahintersteckte. De Faria war ein indo-portugiesischer Mönch, der bei seiner Beschäftigung mit Mesmers Arbeit vor allem eines begriff: dass es nämlich um Suggestion und Autosuggestion ging. De Faria hatte selbst seine Anhänger, doch es dauerte bis Mitte des 19. Jahrhunderts, bis das Wort » Hypnose« wirklich Fuß fasste. Es war zwar schon um 1820 vom » Mesmeristen« d’Henin de Cuvillers benutzt worden, aber erst als der schottische Neurochirurg James Braid den Begriff in einer seiner Veröffentlichungen verwendete, war das neue Modewort geschaffen. (Wie Gehirnchirurgie im 19. Jahrhundert ausgesehen haben mag, das wage ich mir kaum auszumalen.) Braid bezeichnete mit diesem Begriff– ebenso wie d’Henin de Cuvillers– den schlafähnlichen Zustand, in dem sich der Hypnotisierte befindet (abgeleitet vom griechischen hypnos = der Schlaf ). Braid sah jedoch sehr bald ein, dass er sich geirrt hatte und dass das, was er Hypnose nannte, mit Schlaf sehr wenig zu tun hatte. Aber da hörte schon keiner mehr richtig zu. Hypnose war einfach ein zu gutes Wort, um es wieder zu verwerfen.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann der Stern der Hypnose zu sinken. Der Todesstoß kam, als Sigmund Freud, dessen psychoanalytische Theorien immer populärer wurden, erklärte, dass Hypnose nicht funktionierte. Er wusste es, weil er sie ausprobiert und für wertlos befunden hatte. Wahrscheinlicher ist, dass Freud einfach ein schlechter Hypnotiseur war. Hypnose bei der Therapie erfordert große Sensibilität, Beobachtungsgabe und Anpassungsfähigkeit bei demjenigen, der den Patienten in Hypnose versetzen soll. Und Freud war eben ein Mann, dessen Therapiemodell darauf beruhte, dass der Patient auf einem Sofa lag und den Therapeuten nicht mal sah. Dieser sollte wiederum so wenig Feedback wie möglich geben. (Freud litt zudem unter Mundhöhlenkrebs und nahm Morphin gegen die starken Schmerzen. Böse, aber vielleicht wahre Gerüchte besagten, dass darauf auch sein Therapiemodell zurückzuführen ist: Er wollte deswegen unsichtbar hinter seinem Patienten sitzen, weil dieser nicht sehen sollte, was für Schmerzen er gegen Ende der Sitzung litt. Die Länge der psychoanalytischen Sitzung von 45Minuten ließ Freud keine andere Wahl, als sich sein Morphin irgendwann in diesem Zeitraum zu spritzen.) Freud hat viele unglaublich intelligente und wichtige Beobachtungen über den Menschen und unsere Kultur gemacht, doch wenn er sich nicht so abfällig über die Hypnose geäußert hätte und gleichzeitig so dominierend auf dem Gebiet der Psychologie gewesen wäre, dann wäre die Hypnose heute vielleicht nicht von so einen Nimbus des Geheimnisvollen und Gefährlichen umgeben.
Doch es gab eine Alternative. In den 20er Jahren begann ein gewisser Milton H. Erickson von sich reden zu machen (ich habe ihn bereits einmal erwähnt ). Erickson wurde auf einem Bauernhof geboren und trieb als Kind sehr viel Sport. Als er 17 war, erkrankte er jedoch an Polio und war bald so massiv gelähmt, dass die Ärzte seine Überlebenschancen als gering einschätzten.
Eines Tages hörte Erickson, wie die Ärzte seinen Eltern erklärten, dass er im Laufe
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