Nicht mein Märchen (spezieller Festtags-Preis) (German Edition)
Rücken blutdurchtränkt war.
Vollkommene Stille hatte sich im Gerichtssaal ausgebreitet. Doug blickte zurück zu Jason, der aber nur auf seine Hände starrte.
Chris hatte seine Augen geschlossen, und seine Anwältin sah nicht besonders glücklich aus.
„Euer Ehren, wie sie wissen habe ich einige Bilder ihrer Schusswunden als Beweismittel vorgelegt,“ sagte Doug. „Miss Winters, habe sie die Befürchtung, dass der Beschuldigte ihnen nochmals etwas antun könnte?“
„Er hat mich gekidnapped und mehrfach auf mich geschossen, ohne Vorwarnung, und ohne dass ich es provoziert hätte,“ antwortete ich.
„Rechnen sie damit, ihn in Zukunft zu sehen?“
„Nicht, wenn ich es vermeiden kann. Darum möchte ich ja die einstweilige Verfügung, um es zu vermeiden. Ich möchte einfach mein Leben weiterleben.“
„Warum haben sie ihn nicht wegen versuchten Mordes angeklagt?“ fragte die Richterin.
Ich sah sie etwas verblüfft an. Durfte die Richterin überhaupt solche Fragen stellen?
Aber es schien, als würde Doug dies nicht außergewöhnlich finden. „Haben sie, euer Ehren,“ antwortete er ruhig. „Aber die Jury hat ihn für unschuldig befunden.“
Die Richterin schüttelte ungläubig den Kopf und wandte sich an mich. „Wie haben sie es geschafft einen Bauchschuss aus so kurzer Distanz zu überleben?“
„Die Polizei war direkt hinter uns, euer Ehren. Ein Polizist hatte sich in der Nähe meiner Schule aufgehalten, er war meinem Bruder gefolgt und hatte nach Verstärkung gefunkt. Zu der Zeit, als wir in der Wüste ankamen, hatten bereits vier Polizeiwagen und ein Helikopter die Verfolgung aufgenommen. Ich wurde innerhalb von Minuten per Lufttransport in das Krankenhaus der Universität von New Mexiko gebracht.“
„Trotzdem.“
„Und, ich hatte Glück dazu. Also soweit man von Glück reden kann, wenn man dreimal von seinem eigenen Bruder angeschossen wird.“
Ein Lächeln zuckte kurz über ihre Lippen. „Ok, ist das alles?“
„Das wäre alles von unserer Seite, euer Ehren,“ sagte Doug.
„Gut, die Verteidigung darf nun die Zeugin befragen.“
Chris Anwältin stand auf und fixierte mich mit einem entschlossenen Blick. „Miss Winters, ja oder nein, hat mein Klient sie kontaktiert, seitdem er aus dem Gefängnis entlassen wurde?“
„Ich glaube nicht.“
„Ja, oder nein?“
„Es kann sein, dass er meine Reifen zerstochen hat.“
„Ja, oder nein!“
„Es gab einiges an Sachbeschädigung und er fuhr-“
Mit einem Knall schlug sie mit der flachen Hand auf den Tisch. „Ja,“ wiederholte sie, „oder nein.“
„Das kann ich nicht beantworten.“
Doug nickte.
„Haben sie meinen Klienten seit seiner Entlassung gesehen?“
„Nein.“
„Hat er sie angerufen?“
„Nein.“
„Hat er ihnen Emails geschrieben?“
„Nein.“
„Facebook-Nachrichten?“
„Nein.“ Jetzt verstand ich ihr Spiel. Sie wollte einfach nur eine lange Liste von „Neins“ um meine Aussage als trivial darzustellen. Gut, dachte ich mir, ich kann ruhig weiter solche Fragen beantworten. Meine Geschichte hatte Eindruck hinterlassen. Alle Anwaltstricks der Welt würden das nicht verwässern.
Chris vergrub das Gesicht in den Händen, als würde selbst er sich für diese Scharade schämen.
Nachdem jeder seinen Fall dargelegt hatte, wies die Richterin uns zu unterschiedlichen Wartezimmern. Sie versprach, schnell zu einer Entscheidung zu kommen. Ich wandte mich an Doug und Steve und lächelte. „Danke,“ sagte ich.
„Dass du noch lächeln kannst,“ sagte Steve während er seine Unterlagen zusammenpackte. „Ich bin immer noch traumatisiert. Und jetzt lachst du auch noch.“
Das tat ich wirklich. Was sollte ich sagen? An manchen Tagen war es einfach super, am Leben zu sein - und dieser Tag, an dem ich beobachten konnte, dass sich Chris so sehr schämte, dass er mich nicht mal ansehen konnte, war eine von diesen Tagen.
Wir gingen in Richtung des Warteraums am Ende des Saals. Jason sah zu Chris während er an ihm vorbeilief.
Chris hielt inne, sah ihn an, dann mich, dann wieder ihn. „Was?“ fragte er. „Hast du etwas zu sagen?“
Schnell ergriff ihn seine Anwältin am Arm und steuerte ihn von uns weg.
Jason schüttelte den Kopf.
„Oh ja, so legst du die bestimmt flach,“ sagte Chris. Er warf mir einen anzüglichen Blick zu, bevor seine Anwältin ihn zur Tür hinaus beförderte. Es sah aus, als hätte sie ihre Fingernägel tief in seinem Arm vergraben.
Ich kicherte. „Hast du dir
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