Nicht mein Märchen (spezieller Festtags-Preis) (German Edition)
von dort etwas geholt hatte, stand Kyra in der Milchshake-Schlange. Sie sah allerdings nicht wirklich danach aus, als würde sie anstehen, sie stand am Tresen neben den Leuten die ihre Bestellungen abgaben.
„Hi,“ sagte ich zu ihr.
„Hi…“
Ich hielt kurz an, um zu sehen ob sie noch mehr zu sagen hatte.
„Also… ehm…“ Sie trat von einem Fuß auf den anderen, als wäre ich diejenige, die sie in Verlegenheit bringen würde. „Kann ich deine Narbe sehen?“
Ich hatte ein Pitcher voller Saft in der Hand und der Tresen war zu hoch, dass ich meinen Unterschenkel hätte zeigen können. Ich zog mein Hemd hoch und zeigte ihr die Narbe an meinem Bauch, ein glänzender Kreis von Narbengewebe.
„Whoa,“ entfuhr es ihr.
„Ich hoffe du kennst nicht allzu viele Leute die sowas haben.“ Ich ging weiter.
Sie blieb allerdings stehen. Ich nahm ein paar weitere Bestellungen auf. Jen und Steve saßen am Rand des Speiseraums und Jennifer sah hin und wieder rüber, rief ihre Stieftochter aber nicht zu sich. Ich ging zurück und stellte mich wieder Kyra gegenüber.
„Jason hat gesagt, du wärst die stärkste Frau die er je getroffen hat.“
„Naja, er hat die Narbe hier nie gesehen,“ sagte ich. „Ich hab noch eine an meinem Bein.“
„Ach… echt?“ Verwirrung machte sich in ihrem Gesicht breit.
Ich lachte. „Nicht, dass dich das eigentlich irgendwas angeht.“
„Ihr wart nur Freunde?“
„Ja.“
Sie sah auf den Boden. Es standen zwar noch weitere Kunden an, aber meine Mitarbeiter schienen alles im Griff zu haben. Ich wartete.
Kyra sagte nichts weiter.
„Also, wie ist es dir denn ergangen?“ fragte ich.
„Gut.“
„Behandelt dich die Familie ordentlich?“
Sie zuckte die Achseln und zog eine Fratze. „Wer, die Vanderholts?“
„Das ist wohl deine Familie.“
„Die behandeln mich gut.“
„Was heißt das genau? Setzt dir Jen zu viel Essen vor?“
„Nein, das macht sie bei mir nicht.“
Ich nickte.
„Sie mögen mich nicht.“
„Ich weiß zufällig, dass das nicht stimmt.“
„Sie sagen mir ständig, was ich tun soll.“
„Tja, das ist eine der Sachen, die keinen Spaß machen am Teenager-Dasein. Aber es wird besser. Warte mal kurz.“ Ich ging kurz weg um dabei zu helfen, Brötchen auf Platten zu verteilen. „Sorry,“ sagte ich dem Kerl an der Maschine fürs Rote Zeugs. „Wollte nicht nachlässig erscheinen.“ Er winkte ab. Ich gab ein paar Portionen Kuchen und Kekse aus und kehrte dahin zurück, wo Kyra immer noch stand.
„Sie mögen dich,“ sagte sie. „Sie reden immer noch über dich. Mich halten alle für verkorkst.“
„Du bist in die Academy gekommen, ich weiß dass das nicht einfach ist. Ich hab einen Abschluss von der Rio Grande und ne Reihe Schusswunden in mir. Auf keinen Fall halten die mich für okay, und dich für verkorkst. Ich mein, komm schon.“
Sie blinzelte ein paar mal überrascht und fing dann an zu kichern.
Ich tat so als würde ich sie kritisch betrachten. „Auf mich wirkst du ganz normal. Wie läuft‘s in der Schule?“
„Ist okay.“
„Was ist dein Lieblingskurs?“
„Der Schauspielkurs.“
„Echt? Hast du da schon mit Jason drüber geredet?“
„Nee…“
„Solltest du. Ich wette er weiß noch nicht mal davon.“
„Niemand weiß davon.“
Ich verstand nicht ganz, warum sie es dann mir erzählte, wenn sie doch eine so eng verbundene Familie hatte – aber das Mädchen das mir am Tresen gegenüber stand wirkte einsam. Ich fragte mich, ob ich auch so geworden wäre, wenn meine Mutter meinen Vater geheiratet hätte und ich mich fühlen würde, als ob der Rest der Winters-Familie mich nicht leiden könnte. Nicht genau die gleiche Situation, aber nah genug dran, so schien es zumindest.
„Kyra?“ rief Jen. Kyra und ich wandten uns beide in ihre Richtung und sie zeigte auf die Teller voller Essen die gerade an den Tisch gebracht wurden.
„Ich muss gehen,“ sagte Kyra.
„War nett dich zu sehen,“ sagte ich.
„Danke.“ Sie klang irgendwie unbeholfen und hastet quer durch den Raum.
Zur Ladenschlusszeit hatte ich einen Moment der Schwäche und kaufte das Magazin, das Jason auf dem Cover hatte. Ich nahm es mit nach Hause, starrte etwa einen halbe Stunde auf das Cover und blätterte dann endlich zum Interview. Die erste Seite bestand aus einem doppelseitigen Bild von Jason, der auf einer Couch lag und mit dem einsamsten Blick den ich je gesehen hatte in die Kamera guckte. Es war der gleiche Blick mit dem er mich
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