Nicht menschlich Inc.
Wut auf ihn war verflogen, ebenso das Gefühl der Fremde, die ich bei der Vorstellung, keinen Menschen vor mir zu haben, empfunden hatte. Schließlich hatte ich soeben den Tod vor Augen gehabt, da kehrte man gern einige Prinzipien um.
Ich fühlte Desmonds Hand auf meinem Haar, seine Lippen auf der Stirn. Das frische Aroma von geschnittenem Gras hüllte mich ein und, tief darunter, etwas Anderes, Vertrautes. Wie hatte ich jemals denken können, bei ihm nicht sicher zu sein? Sein warmer Atem perlte über meinen Hals und verursachte mir eine Gänsehaut. Ich griff nach seinen Fingern und verschlang sie mit meinen. Sein Herzschlag pochte bemerkenswert ruhig. Ich wagte es, in die Gegenwart zurückzukehren und hob den Kopf.
Vor uns stand Stacey. Wo die Mutter des Prokuristen durch Hass und Drohung mit Feuer um sich geworfen hatte, ließ Staceys Haltung eisige Schauder über den Rücken laufen. Ich war froh, dass sie nicht sauer auf mich war. Stacey hatte es geschafft, die Waffe an sich zu nehmen, und wedelte damit vor der Nase der Prokuristenmutter herum. Lässig, mit einem Arm, aber ich wusste, dass sie schneller als jeder andere in diesem Raum reagieren konnte, sollte ihre Gegnerin einen Angriff auf sie starten. Ich konnte mir einen Hauch Genugtuung nicht verkneifen, als ich den verängstigten Blick der Frau sah, die mich noch vor wenigen Sekunden in die Hölle hatte schicken wollen.
Ich verbesserte mich im Stillen. Das mit der Hölle schien in LaBrock so eine Sache zu sein. Wenn Teufelsfamilien auf Erden wandelten, wartete auf die bösen Kinder des Lebens sicher etwas vollkommen anderes.
Mit einem Mal überschlugen sich die Ereignisse. Die Mutter des Prokuristen heulte los wie eine verwundete Wölfin und sprang mit einem beachtlichen Satz auf Stacey zu. Die zuckte nicht einmal zusammen und stand im nächsten Moment an einer anderen Stelle, einige Schritte entfernt.
Als sie merkte, dass sie Stacey nichts anhaben konnte, fuhr die Prokuristenmutter zu mir herum. Hass und Verzweiflung hatten rote Äderchen in das Weiß ihrer Augen getrieben. Ich schrie auf und wollte mich instinktiv von Desmond losreißen, um die Flucht anzutreten. Ich hatte nicht einmal mit einem Muskel gezuckt, als er sich bereits vor mich stellte.
»Ich würde nicht einmal daran denken, ihr etwas anzutun«, bemerkte er mit so kalter Stimme, dass ich erschauerte. Mutig geworden, lugte ich an Desmonds breitem Rücken vorbei.
Dermaßen in die Ecke gedrängt, schien die Mutter des Prokuristen die Kontrolle über sich zu verlieren. Ihr Wutgeheul wurde lauter und eskalierte in einem nervösen Wortschwall. »Ich hatte keine Wahl! Oder sollte ich zusehen, wie sie die Firma an sich reißt? Genau das haben auch ihre Cousins gesagt. Ihre Cousins! Selbst unter ihren Leuten hat sie einen schlechten Ruf. Liebling der Familienoberhäupter, das wäre sie, obwohl sie nichts dafür tut. Sie hat es nicht verdient, sagen sie. Und sie hat auch das hier nicht verdient!«
Sie stampfte mit dem Fuß auf. Mittlerweile war ihr Gesicht dunkelrot angelaufen, ihre Finger ballten sich kontinuierlich zu Fäusten und öffneten sich wieder.
Urplötzlich brach sie in schallendes Gelächter aus. »Mit allem habe ich gerechnet. Mit ihrer Dummheit«, sie deutete erst auf mich, dann auf Stacey. »Mit der Unfähigkeit deiner Verwandten, wenn es um Feinschliff geht. Aber sie haben sich weit übertroffen. Lassen die Außenweltlerin gefangen nehmen, weil sie denken, die Spionin eines anderen Konvents vor sich zu haben, wegen dieser verdammten Augen. Dabei habe ich sie extra darauf hingewiesen, aber kaum sehen sie das Blau, schon vergessen sie alles, was sie je gehört haben.«
Stacey stand der Tobenden ungerührt gegenüber und hielt ihre Arme vor dem schlanken Körper verschränkt. Ihr Teufelsschwanz peitschte nur leicht hin und wieder hinter ihrem Rücken hervor, mehr spielerisch als aufgeregt.
Niemand rührte sich, als das Geschrei erneut einsetzte. Und dann hörte es auf. Verantwortlich dafür war nur ein einziges Wort. »Mutter.«
Wir alle fuhren herum und starrten den Prokuristen an, der klein und grün im Türrahmen stand und uns nacheinander mit einem Gesicht aus Stein musterte.
Aus mit Moos bewachsenem Stein.
Ein Telefon donnerte zu Boden, als die Mutter des Prokuristen zurücktaumelte und sich an einem Schreibtisch festhielt.
Der Prokurist beobachtete es mit unbewegter Miene. Dann leckte er sich über die Lippen. »Du wirst das Firmengelände sofort verlassen, Mutter. Und
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