Nicht menschlich Inc.
anschließend mit einem Glas Wein in einen Katastrophenfilm gestürzt. Erschreckend weltlich, bis auf das Filmgenre. Vielleicht war es ihre Vorstellung von einer romantischen Geschichte, wenn reihenweise Menschen in den Untergang rannten.
Mein zweiter Tag bei ABM begann entspannend und ruhig. Zunächst bekam ich einen eigenen Schreibtisch und hatte genügend Zeit, mich damit vertraut zu machen, während Stacey sich vorläufig verabschiedete, um sich mit wirklich wichtigen Dingen zu befassen. In dem kleinen Raum, wo man meinen Arbeitsplatz scheinbar schnell zwischen Tür und Schrankwand gequetscht hatte, befanden sich zwei weitere Schreibtische. Ich umrundete meinen, der nach einem Hauch Persönlichkeit schrie. Noch hatte ich zwei Probetage vor mir und so tätschelte ich die kahle Fläche lediglich beruhigend. Die Frage, ob ich den Job wollte, stellte ich mir überhaupt nicht erst. Ich war so verschreckt von den Monaten der Arbeitslosigkeit, in denen ich in den Augen so vieler Leute die soziale Leiter bis unten durchgeschlittert war, dass ich niemals Nein sagen würde. Nein zu einem überflüssigen, undankbaren und sicher auch kriminellen Posten in dieser Firma.
Es war kalt im Zimmer und die Luft roch nach Metall. Die anderen Arbeitsplätze waren eindeutig belegt, wie das Kabelchaos, die schiefen Papierstapel und Reste von Schokoriegelpapier bewiesen. Sie gehörten laut Stacey den EDV-Mitarbeitern von ABM und standen am Fenster. Tageslicht war scheinbar ein Privileg, das ich mir erst noch erarbeiten musste.
Ich wollte gerade den Schrank öffnen, als die Tür aufflog und jemand – wohl einer meiner Kollegen – hereinstürmte. Seine Begrüßung verlief so freundlich wie möglich, wenn man jemanden als zeitraubendes Hindernis auf dem Weg zum vertrauten PC betrachtete. Neil – das Namensschild auf seinem Schreibtisch verriet ihn – preschte an mir vorbei, brummte und klebte kurz darauf mit der Nase an seinem Monitor. Ich hatte mir EDVler immer dürr und pickelig vorgestellt, aber Neil hatte es geschafft, sich einen beachtlichen Bauch anzutrainieren. Immerhin trug er eine Brille, die ihm gut stand . Würde er weniger auf die Waage bringen, käme sein kantiges Kinn sicher besser bei den Frauen an. In meinen Augen besaß er nichtsdestotrotz einen großen Vorteil: Er war ein Mensch. Bei Eric Dalmann wusste ich das noch nicht, aber die Sammlung leerer Kaffeetassen an seinem Platz verriet mir, wie er seinen Morgen üblicherweise verbrachte.
»Du bist die Neue?« Neil sah nicht auf.
Ich nickte und bemerkte, dass ihm das nicht viel bringen würde. »Genau. Ich bin Nala.«
»Neil.« Er starrte weiter seinen Computer an. »Woher kommst du?«
Es klang mechanisch, aber immerhin tat er mir den Gefallen und heuchelte Interesse.
Ich zögerte. »Westburg.«
Er nickte, runzelte dann die Stirn, erstarrte und blickte hoch. Zum ersten Mal nahm er mich richtig wahr. Die Augen hinter seiner Brille wurden groß und rund, und er richtete sich ein Stück auf. »Du stammst doch nicht von drüben?«
»Doch. Warst du schon einmal dort?«
Er sah mich an, als hätte ich ihn gefragt, ob ich die Festplatte aus seinem Computer ausbauen dürfte, um damit den Prokuristen zu verprügeln.
»Wozu?«
Ich glotzte zurück. Wozu? Stimmt, wozu an andere Orte reisen, wenn das Internet groß genug war. Ich suchte noch nach einer lehrreichen Begründung, als die Tür aufging und ein weiterer Kerl hereinspazierte. Er war dürr und schlaksig und bewegte sich, als würde er beim Laufen mitdenken: Rechten Fuß aufsetzen, abrollen, linken Fuß aufsetzen, abrollen, Mist, Schreibtisch, au, rechten Fuß aufsetzen aber einen sehr kurzen Schritt machen.
Ich folgerte messerscharf. »Du bist Eric!« Er schien überrascht über die stürmische Begrüßung und wiegte langsam seinen Kopf, der für seinen dürren Hals viel zu groß wirkte, hin und her.
»Ja.« Er schien nicht nur über seine Schritte, sondern auch seine Worte nachzudenken. »Wenn du Nala Dilazo bist, dann sollst du zum Vorarbeiter.«
Neil runzelte die Stirn, tippte auf seiner Tastatur herum und starrte auf den Monitor.
»Heißt di Lorenzo«, verkündete er. »Steht im Intranet.«
Eric änderte seine Richtung und dockte am Schreibtisch seines Kollegen an. Zusammen vertieften sie sich in das Geschehen auf der Scheibe. Ich war komplett vergessen.
Da ich annahm, dass er mit Vorarbeiter den Prokuristen meinte, machte ich mich auf den Weg. Zumal ich sonst niemanden aus der Chefabteilung
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