Nicht menschlich Inc.
kannte.
Die Tür zum Büro meines Vorgesetzten war geschlossen. Ich wartete einen Moment, lauschte und klopfte vorsichtig an. Einmal, zweimal. Zwei junge Frauen gingen an mir vorbei, grüßten höflich und schwiegen, bis sie ein paar Meter Abstand gewonnen hatten. Erst dann steckten sie die Köpfe zusammen und tuschelten.
Ich starrte auf ihre Hinterteile – alles ganz normal. Die Dunkelhaarige wandte sich um und fing meinen Blick auf. Mit hochroten Wangen sah ich zu Boden. Ich musste unbedingt damit aufhören. So schnell ich konnte, trat ich die Flucht nach vorn an, öffnete die Bürotür – und sah mich Stacey gegenüber. Der Prokurist saß in seinem Sessel und machte sich nicht einmal die Mühe, hochzusehen.
»Wer ist da?«, knarrte er. Unsicher trat ich näher.
Stacey lächelte mich an. »Es ist Nala«, sagte sie und nickte mir zu. »Komm ruhig rein, wir sind fertig.« Sie griff einen Stapel Akten, ging an mir vorbei und verließ den Raum.
Der Prokurist blinzelte mittlerweile in meine Richtung. »Meine Mutter ist krank«, teilte er mir mit.
Ich suchte erstaunt nach einer passenden Entgegnung, doch der Prokurist war schneller.
»Setzen Sie sich.«
Ich gehorchte und wollte etwas sagen, doch er kam mir wieder zuvor.
»Schön, dass Sie es dieses Mal rechtzeitig geschafft haben.«
»Der Springer ist mir heute nicht ins Auge geflogen«, entgegnete ich freundlich.
Es interessierte ihn nicht.
»Da Sie den Probelauf erfolgreich bestanden haben, erhalten Sie heute Informationen über die erste noch unbewiesene Krankmeldung.«
Er hielt mir eine schmale, braune Mappe entgegen.
Ich stand auf, nahm sie und schlug sie auf. Sie enthielt einen dünnen Stapel loser Blätter. An das oberste war ein Passbild geheftet. Es zeigte eine Frau mit dunklem Pagenkopf und einem sehr selbstbewussten Blick. In ihrem Gesicht war alles zierlich, angefangen von den kleinen Augen über die schlanke, kurze Nase bis hin zu den schmalen Lippen. Ich wusste nicht recht, ob ich sie auf eine besondere Weise attraktiv fand oder ob mich ihr arroganter Blick abstieß. Immerhin konnte ich keine Hörner, Fangzähne oder andere rassenspezifische Merkmale erkennen.
Ich hob den Kopf, kam aber selbstverständlich nicht dazu, meine Frage zu stellen.
»Das ist Kirsten Herms. Sie leitet das Callcenter«, erklärte der Prokurist.
Die armen Telefonisten. Ich stellte mir vor, wie sie den ganzen Tag unter diesem strengen Blick ausharren mussten. Ich selbst gab nach kurzer Zeit auf und schlug die Mappe wieder zu.
»Sie haben also noch nicht überprüft, ob Frau Herms krank ist?«, erkundigte ich mich höchst professionell. Ich hatte schnell gelernt.
»Natürlich haben wir das.«
Er mochte es nicht, wenn man seine Kompetenz infrage stellte. Ein wenig erinnerte er mich an einen kleinen Hund, der sich in meinem Hosenbein verbiss, um mir zu beweisen, dass er trotz seiner Größe derjenige war, vor dem man Angst haben sollte. Dennoch war ich verwirrt. Wenn Kirstens Krankheit bestätigt war, warum musste ich noch aktiv werden?
»Kirsten Herms’ erster Krankenschein wurde regulär eingereicht und überprüft. Nachdem ein zweiter per Post übersendet wurde, ist Ihr Vorgänger losgezogen, um auch diesen zu überprüfen. Leider konnte er keine Ergebnisse liefern.«
Und wurde gefeuert. Zumindest war dies die einzig logische Schlussfolgerung. Ich fühlte mich unsicherer als je zuvor. Obwohl ich bereits gestern all meine Willenskraft hatte zusammennehmen müssen, um über meinen Schatten zu springen, war der Auftrag Adrian Wills lediglich ein Testlauf gewesen. Ab jetzt ging es um einen echten Fall, an dem bereits mein Vorgänger gescheitert war. Ich überlegte und versuchte, weiterhin ruhig zu atmen. Drei Probetage hatte man mir mitgeteilt. Hieß das, morgen wartete eine weitere Überprüfung auf mich, die noch eine Steigerung war?
»Frau di Lorenzo!«
Ich schreckte auf und versuchte, ihm durch einen konzentrierten Gesichtsausdruck zu zeigen, dass ich bereits angefangen hatte, mich mental auf meinen Arbeitstag vorzubereiten.
»Was hat mein Vorgänger herausgefunden?« Ich unterdrückte den Drang, an meinen Haaren herumzuzupfen.
Der Prokurist schnaubte. »Betrachten Sie den Fall Herms, als stünden wir am Anfang der Überprüfung des zweiten Krankenscheins.«
Offenbar gab es eine Erklärung, die er nicht gewillt war, mit mir zu teilen. Das gefiel mir nicht. In meinem Kopf formte sich das Bild der Kriegerin Kirsten Herms, die meinen Vorgänger in ihre
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