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Nicht menschlich Inc.

Nicht menschlich Inc.

Titel: Nicht menschlich Inc. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Linnhe
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Zigaretten. Zumindest dieser Anblick war mir vertraut.
    Als ich den Kopf hob, erregte etwas an einem der Fenster im Obergeschoss meine Aufmerksamkeit. Ich blickte in das Gesicht der Prokuristenmutter. Sie betrachtete mich, als wäre sie nicht davon überzeugt, dass ich meine Aufgabe zufriedenstellend erledigen konnte. Ich biss die Zähne zusammen, hob grüßend eine Hand und machte, dass ich zum Auto kam.
    Ich atmete auf, als ich mich in den Fahrersitz fallen ließ und die Tür fester als nötig hinter mir zuzog. Dann wandte ich mich um und nahm den Straßenatlas von der Rückbank. Etwas lag auf dem Hochglanz-Cover. Ich grinste, als ich es erkannte, und ein Wärmeschauder rieselte durch meine Glieder. Es war ein Schokoriegel, an dem ein gelbes Post-it klebte.
    Vielleicht hilft dir das ein wenig durch den Tag. Kopf hoch. Bis später.
    Desmond besaß eine regelmäßige, energische Schrift. Und wenn er wie ein Schuljunge geschrieben hätte, wäre es mir egal gewesen. Die Hauptsache war, dass er an mich gedacht hatte.
    Voller Energie startete ich den Motor und fuhr rückwärts aus der Parklücke. Zunächst wollte ich vom Gebäude weg, ehe ich mir in sicherer Entfernung, in aller Ruhe die Straßenkarte vornehmen würde. Mir war nicht danach, weiter von der Prokuristenmutter oder gar vom Kobold selbst beobachtet zu werden. Ich traute ihm zu, mir diese Zeit vom noch unbekannten Lohn abzuziehen.

9
    Gänsemarsch
     
     
     
    I ch parkte an einer halbwegs belebten Straße, breitete die Karte auf dem Schoß aus und lugte ab und zu nach draußen. Die Umgebung war hübsch normal, schmale Vorgärten mit windschiefen Hecken und Skulpturen, die vor sich hinrosteten. Der Regen hatte zugenommen, die bauchigen Tropfen stoben beim Aufprall auf das Glas in alle Richtungen davon. Kein Mensch – oder etwas Anderes – war in der Nähe, um in mein Auto zu starren. Gut. Immerhin musste niemand mitbekommen, dass mir die Orientierung fehlte.
    Hier in LaBrock wagte ich nicht, mich auch nur ansatzweise zu outen. Nicht solange ich nicht wusste, was sonst noch alles in dieser Stadt – in dieser Welt? – unterwegs war.
    An dieser Stelle versuchten meine Gedanken stets auszubrechen und stoben in merkwürdige Richtungen davon. War eine Stadt zwangsläufig etwas Kleineres als eine Welt? Konnte eine Stadt auch eine Welt sein? Es ließe sich sehr einfach herausfinden, indem ich LaBrock verließ und nachprüfte, ob es auch woanders Frauen oder Männer mit Teufelsschwänzen gab. Gegen diesen Plan sprach allerdings zweierlei: Zum einen fand ich mich nicht einmal hier im Ort zurecht, zum anderen würde der Prokurist einen Tobsuchtsanfall bekommen, wenn ich mich aus der Nachbarstadt meldete, um mitzuteilen, dass ich einen Abschleppdienst bräuchte. Das würde meine sofortige Kündigung zur Folge haben, eine sehr lange Befragungssitzung mit meinen Verwandten und Kim, und unweigerlich meinen eigenen Nervenzusammenbruch.
    Ich musste meine philosophische Neugier also später stillen. Pflichtbewusst widmete ich mich wieder der Karte und fuhr die einzelnen Linien mit dem Finger lang. Zum ersten Mal bekam ich eine Übersicht über LaBrock. Es wirkte enttäuschend normal, wie eine typische Kleinstadt. Ich hatte eingehend gesucht, aber kein Symbol war mit Beschwörungsplatz, Dämonenhauptquartier oder Seelenshop untertitelt. Auf dem Weg hatte ich sogar einen allseits bekannten Fast-Food-Schuppen hinter mir gelassen.
    Meine Zielstraße hatte ich entdeckt und mit dem Fingernagel eine kleine Markierung in das Papier gedrückt. Kirsten Herms wohnte nicht in der Innenstadt, sondern in einem Vorort nordöstlich. Ich prägte mir den ersten Teil der Strecke ein, wünschte mir ein Navigationsgerät und startete den Wagen.
    Als ich weiterfuhr, hörte der Regen auf. Ich bildete mir ein, dass es ein wenig heller wurde, auch wenn kein Sonnenstrahl die Wolkendecke durchbrach. Die Häuser standen nicht so eng beieinander wie zuvor, ich bewegte mich aus der Innenstadt hinaus. Zu beiden Seiten zogen Rasenflächen vorbei, auf denen Gestalten einen Ball durch die Gegend kickten. Wahrscheinlich war der Drang zu jagen bei den Einwohnern LaBrocks besonders hoch. Ich konnte ihr triumphierendes Brüllen beinahe hören.
    Es hupte hinter mir, und ich merkte, dass ich beinahe auf dreißig Kilometer pro Stunde heruntergebremst hatte. Ich ließ den Motor entschuldigend aufheulen und sah zu, dass ich mich davonmachte. Es dauerte nicht lange, bis die Häuser windschiefer und ärmlicher

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