Nicht ohne Beruf (German Edition)
mich schön gemütlich an den Tisch, den Kopf in die linke Hand g estützt und den rechten Ellenbogen fest auf der Tischplatte. Endlich, so meinte ich, durfte ich mal so richtig lümmeln.
Mutti erinnerte mich voll Entsetzen an die g ute Erziehung.
“Aber wieso denn? Du hast doch immer gesagt, so isst man bei den Ba uern!“
Während des Krieges wurde ich gar ein dreiviertel Jahr dort vor den Bombenangriffen in Sicherheit gebracht.
Welch glücklicher Zufall!
Die Jahreszeiten wechselten, und bald beschloss ich, doch noch etwas Anderes zu tun, um einen richtigen Beruf zu haben.
In Freiberg wurde ein neues großes m odernes Krankenhaus gebaut. Dort bewarb ich mich um eine Anstellung, welcher Art auch immer. Ohne pflegerische Vorbildung und da ich noch keine 18 Jahre alt war, kam vorerst nur eine Arbeit beim Hauspersonal in Frage. Ich wurde im Schwesternkasino eingestellt. Der Verdienst war gerade ein Taschengeld, 15 RM monatlich; doch sonst hatte ich alles frei – Wohnung, Verpflegung.
Oh, Verpflegung. Bald wurde ich in der
hypermodernen Küche eingesetzt, wo von
Vollkost bis zu den Di äten für die ver-
schiedenen Stationen das Essen zubereitet
wurde. Ein Riesenherd mit riesigen Brat-
pfannen. Ich rührte feste einen guten
Mondamin-Brei für Magenkranke. Dass
ich aus dem schönen Kippkessel jeweils
eine Portion noch für mich zusammen-
kratzte, zeigte bald die Waage.
E ine Diakonissin war Leiterin der Privatstation.. Sie hatte eine Katze, schon wegen der Mäuse. Das Kätzchen saß, wenn die leckeren Wurstplatten belegt wurden, neben dem Tisch und bekam manch guten Happen. Na, was Kätzchen konnte, konnte ich auch. Hockte mich ebenfalls dazu, miaute und kam so auch zu edlen Leckerbissen.
Not leiden mussten wir ganz und gar nicht.
Der Arbeitsplan war geregelt, acht Stunden täglich, alle Pausen wurden eingehalten. Früh um halb acht sorgte die Köchin schon im Aufenthaltsraum für ein reichliches Frühstück; zugeteilt wurde nicht. War die Butter alle, holte die Köchin eben frische aus dem Vorratsraum. Wir waren wie eine Großfamilie. Von den Nöten der Wirtschaftskrise merkten wir nichts. Nur einmal mussten wir zur ‚Notverordnung’ unser Scherflein beitragen.
Draußen herrschte als Folge der Inflation noch immer Arbeitslosigkeit, doch mir ging es wirklich sehr gut.
Ging ich an meinem freien Wochenende zu meiner Schwester Gretel, die inzwischen verheiratet war, bekam ich Proviant mit, mehr als man für einen Tag benötigte. Das half meiner Schwester auch ein bisschen.
Ihr Mann hatte als Holz-Kunstmaler von den Tischlern genügend Aufträge, aber wenige konnten mit Geld zahlen. So gab es als Vergütung Sachwerte. Fotoapparate türmten sich bei ihm.
Zum Hausstand gehörte auch Grete ls Schwiegermutter. Ihr hatte einmal das Geschäft gehört, das sie dann nach dem Tode ihres Mannes an Walter übergeben hatte. Durch die Inflation hatte auch sie alles Geld eingebüßt.
Um die Haushaltskasse etwas aufzube ssern, häkelten die beiden Frauen fleißig Mützen aus Bastseide, Garbo- oder Wagner-Kappen.
Die Sonntage waren auch nicht nur zum Feiern, sondern jeden zweiten standen wir im Dienst. Im Labor hatte an diesen Tagen eine MTA Bereitschaftsdienst.
Ich wurde zur Station des so genannten Isolierhauses beordert. Dort lagen die Patie nten mit ansteckenden Krankheiten wie Tuberkulose, aber auch Liebeserkrankungen (Gonorrhöe). Angst vor Ansteckungen hatte ich keine, vielmehr spielte ich mit den Patienten Mühle und Dame usw.
Allmählich bekam ich im Krankenhaus einen Überblick. Was würde mir wohl als Beruf zusagen? 18 Jahre war ich ja unterdessen geworden.
Weg von der Küche, kam erst einmal das OP in Betracht. Oh, da habe ich wirklich Ohren und Augen offen gehalten. Früh war ich als erste da und studierte den OP-Plan. Dann wälzte ich Lexika, um zu wissen, was operiert wurde. Ich muss gest ehen, als ich das erste warme Blut roch, musste ich doch kräftig schlucken.
Es war eine interessante Abteilung. Ein riesiger Sterilisator, der alle Tage beladen wurde, Vorbereitungen für die jeweilige OP. Schwester Annette , freie und beamtete Schwester, sie kam fast noch vor dem Chef, bemühte sich, mich für diese Richtung zu begeistern, also eine Ausbildung als OP-Schwester zu machen. Dafür hätte ich auf eine Schule gehen und bei meiner Schwester leben müssen. Als ich das Thema einmal zaghaft anschnitt, war ihr Mann strikt gegen diesen Plan. Mein Leben mit ihnen
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