Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nicht ohne Beruf (German Edition)

Nicht ohne Beruf (German Edition)

Titel: Nicht ohne Beruf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Derado
Vom Netzwerk:
zten die beiden Damen mich heraus.
    Weit später – in den 50er Jahren -  hatten Omi Anna und ich ein Anrecht fürs Scha uspielhaus. Da spielten stets sehr gute Schauspieler, die dann erst nach Berlin und von da oft in den Westen abwanderten.
     
    Unsere Räume von der AOK mussten wir an die Sporthochschule abtreten. Die DHfK, Deutsche Hochschule für Körperkultur, fand ihre Heimstatt in dem Gebäude, in dem ich fast ein Jahrzehnt gearbeitet hatte. Ein gewaltiger Umzug war zu bewältigen. Wir zogen ins Stadthaus und wurden Anhängsel vom Rathaus.
     
    Am politischen Himmel zeigten sich dicke graue Wolken. In der Dienststelle wurde jeden Morgen Zeitungsschau gehalten mit Diskussionen. Dann der 17. Juni 1953! Meine Kollegin Margret und ich wagten es, zum Schauen in die Stadt zu gehen.
     
    Für die Jüngeren unter euch – oder auch für die, die schon immer „Wessis“ waren, muss ich da etwas ausführlicher werden und die politische Landschaft beschreiben.
    Wenn einer meinte, er könnte sein Leben selbstbestimmen, so stieß er sehr rasch an Grenzen: Es wurde kaum noch ein Kind zur Oberschule zugelassen, wenn es nicht Mitglied in der staatlichen Org anisation der Jungen Pioniere war. Mein Cousin Rolf weiß davon ein Lied zu singen. Durch seine Mutter der Adventistengemeinde verbunden, meinte er, was man tut, das soll man mit Wahrhaftigkeit tun. Deshalb könne er nicht in die kommunistischen Pioniere eintreten.
    Ich hingegen war ein ausgemachter O pportunist. In der achten Grundschulklasse beichtete ich eines Abends im Bett, dass ich ein JP-Anmeldeformular ausgefüllt hätte. Das blaue Halstuch dieser Organisation trug ich doch bei Auftritten des Pionierfunks ohnehin.
    Mutti bekam Zustände und jammerte: „Hat das denn nie eine Ende! Jetzt fängt dieser ganze Mist schon wieder an! Wir hatten bei Kriegsende gehofft, es wäre vorbei!“
    Mutti meint, dass sie in dieser Nacht ihren ersten Herzknacks bekommen hätte.
    Ich sah keine Parallele zu den vergangenen braunen Jahren, da ich deren politische Seite ja nicht bewusst erlebt hatte. Wenig später trat ich dann auch noch in die Freie Deutsche Jugend, die FDJ, ein. Aber davon sagte ich ihr kein Sterbenswörtchen. Ich wollte ja Muttis Gesundheit nicht unnötig gefährden.
    Der politische Druck nahm in den Gro ßstädten zu. Man musste schon sehr vorsichtig sein, wem man seine Gedanken mitteilte. Im Frühjahr 1953, ich war da in der elften Klasse, flogen SchülerInnen in hellen Scharen von unserer Schule, weil sie einer christlichen Jugendgruppen, der Jungen Gemeinde, angehörten.
    Da ich fand, einer müsse doch etwas zu d eren Rechtfertigung sagen, und das dann auch vor voller Aula in die Tat umsetzte, bekam ich nach den Osterferien auch massive Schwierigkeiten.
    Aber erst fuhren Mutti und ich in den Osterferien nach Oberschöna. Wenn wir glaubten, zwischen weidenden Gänsen und Kuhstall den politischen Problemen entronnen zu sein, so war das ein Trugschluss. Es knisterte auch dort ganz heftig.
    Der Bauer, Onkel Müller, berichtete von seiner aussichtslosen Lage: Im letzten Herbst hatte er die gesamte Ernte abli efern müssen, durfte nichts für die nächste Aussaat zurückbehalten. Für den Eigenbedarf bekam er seinen Anteil nach der Anzahl der Leute auf seinem Hof zugeteilt. Und jetzt im Frühjahr wurde ihm das Saatgut verweigert.
    Er wusste, dass im Herbst trotzdem der volle Ertrag von ihm eingefordert werden würde. Er konnte sich ausrechnen, dass ihm dann Zuchthaus sicher sein würde. Schikanen, wohin man blickte! Der einzig sichtbare Ausweg: heimlich das „Arbe iter- und Bauernparadies“ (so nannte sich die DDR) verlassen und in den Westen gehen.
     
    Nach den Osterferien nahm die politische Spannung im Lande weiter zu. Wo immer man hinkam, wen immer man traf, jeder wusste von Schwierigkeiten zu berichten. In mehreren Fabriken war den Arbeitern der Lohn gekürzt worden, weil sie die zu hoch gesteckte Norm nicht erfüllen konnten, was wiederum teilweise aber auch auf Materialmangel zurückzuführen war.
    Hinter vorgehaltener Hand erzählte man sich auch in zunehmendem Maße von B espitzelungen und Denunziationen. Einige hatten gehört, dass mitunter sogar die Lehrer ihre Schüler aushorchten, um zu erfahren, ob deren Eltern etwa westliche Rundfunksendungen anhörten, wie beispielsweise RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor).
    Dafür gab es eine sehr einfache Methode. Man brauchte die eifrigen kleinen Schüler nur am Montag zu fragen: „Na, wer kann mir denn

Weitere Kostenlose Bücher