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Nicht ohne dich

Nicht ohne dich

Titel: Nicht ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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lebten sie in Kopenhagen, aber da mussten sie weg.«
    Agnes erklärte weiter: »Ihr habt einen älteren Bruder, der reist auch mit euch zusammen. Er ist blond und blauäugig. Wenn jemand fragt – er kommt nach seinem Vater, ihr beide nach eurer Mutter. Ihr fliegt morgen in Tempelhof ab.«
    »Morgen!«, rief ich. Ich hatte genug von all dieser Planerei über meinen Kopf hinweg. »Agnes, das geht nicht. Und überhaupt, ich habe gar keinen Pass.«
    Damit glaubte ich das Thema vom Tisch, doch Agnes entgegnete: »Emmi, geh in dein Zimmer spielen.«
    Emmi tat wie geheißen und nahm Muffi mit.
    Dann fuhr Agnes fort: »Eines musst du wissen, damit du morgen keine Überraschung zeigst. Dein Rafael reist mit euch. Er wird den älteren Bruder spielen. Er hat ein Foto von dir, das wir für den Pass benutzt haben. Zum Glück ist das Foto schwarzweiß, denn wir müssen dir die Haare braun färben wie Emmis. Die Legende ist, dass auch eure Mutter braune Haare hatte.«
    »Raffi«, sagte ich töricht. Ich würde Raffi sehen? Wir würden zusammen nach Schweden reisen? Einen Moment lang jauchzte mein Herz vor Freude. Nur – wie konnte ich Mama zurücklassen? Mir war, als würde ich entzweigerissen.
    »Du musst fahren, Jenny«, sagte Mama mit zitternder Stimme. »Jenny, ich – ich befehle es dir.«
    Ich grub die Fingernägel in die Handfläche. Agnes redete immer noch.
    »Heute Abend fahrt ihr in ein Haus. Dort bekommt ihr Kleider und Gepäck, und Rafael wird auch da sein. Emmi soll nicht zu viel über ihn wissen, darum habe ich sie rausgeschickt. Und Muffi kann auch mit euch fliegen. Sie muss für die Reise in einen Spezialkäfig, darf aber bei euch in der Kabine sein, ihr könnt sie also beruhigen. Und was Rafael angeht …«, sie sah mich eindringlich an, »denk daran, dass Emmi nicht ahnen darf, dass ihr euch schon kennt. Nicht, bis ihr in Schweden seid. In Stockholm werden euch Leute in Empfang nehmen, die sich um euch kümmern.«
    »Aber das könnte doch auch warten, bis es Mama besser geht, dann könnte sie als unsere Mutter reisen«, wandte ich ein.
    Agnes schüttelte den Kopf. »Wir gleichen die Leute, die wir hinausschaffen, mit den Akten schwedischer Bürger ab, die in Berlin von ihrer Kirche getauft wurden. Es ist eine Familie mit drei Kindern eingetragen, die etwa in eurem Alter waren. Das heißt, wir können dich und Rafael mit Emmi rausschicken. Aber der Tod der Mutter ist im Jahr 1937 verzeichnet. Wir können sie nicht wiederauferstehen lassen. Jenny, ich kümmere mich an deiner Stelle um Sylvia. Ich verspreche es dir.«
    Mama fragte besorgt: »Wie riskant ist es? Wo ist die Familie jetzt?«
    »Sie haben Berlin vor dem Krieg verlassen, aber davon wissen die deutschen Behörden nichts. Und das Polizeirevier, in dem es Unterlagen über sie hätte geben können, ist durch eine Bombe zerstört worden.«
    »Mama geht es nicht gut, und die Bombardierungen, und die Gestapo …«, fing ich noch einmal an.
    Mama biss sich auf die Unterlippe. »Sicherheit gibt es niemals, Jenny. Ich weiß das, aber wir müssen einfach hoffen. Und tun, was wir können.«
    Ich rutschte auf dem Bett nach oben und nahm Mama in die Arme. Sie streichelte meinen Rücken.
    »Geh mit Raffi«, sagte sie. »Papa würde auch wollen, dass du gehst. Und Tante Edith.«
    Mir fiel ein, wie Tante Edith uns gebeten hatte, für Raffi zu sorgen. Mama hatte recht, das wusste ich. Ich musste gehen. Und wieder jauchzte mein Herz: Raffi. Ich würde Raffi sehen. Gleich darauf war ich wieder wütend auf mich. Herzlos, schimpfte eine Stimme in meinem Innern, das ist es, was du bist.
    Etwas anderes fiel mir ein. »Meine Haare. So kurz, wie sie sind, wird die Polizei am Flughafen gleich wissen, dass ich im Lager war.«
    »Ich habe eine Perücke für dich«, erklärte Agnes. »Sogar gute Qualität. Wenn es irgendjemandem auffällt, sagst du, deine Haare sind bei dem Luftangriff, dem dein Vater zum Opfer gefallen ist, versengt worden. Darum musst du darunter auch braune Haare haben.«
    »Also gut«, sagte ich. »Ich mach es.«
    Mamas Arme schlossen sich ganz fest um mich. »Gott sei Dank«, sagte sie. »Gott sei Dank.«
    Agnes stand auf, um uns allein zu lassen, doch Mama fragte leise: »Agnes, was meinst du, was mit Emmis Mutter geschehen ist?«
    »Christine?«, entgegnete Agnes genauso leise. »Ich fürchte, sie ist vielleicht bei dem Luftangriff ums Leben gekommen. Oder man hat sie festgenommen. Sie wäre lieber gestorben als ihnen zu verraten, wo Emmi ist, weißt

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