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Nicht ohne dich

Nicht ohne dich

Titel: Nicht ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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Luftlandeplätze einzeichnete. »Mädchen, hier seht ihr, dass wir London in etwa einer Stunde erreichen können. Die englischen Bomberpiloten hingegen schaffen es nur mit knapper Not bis Berlin, und wenn sie dann da sind, sind sie zu erschöpft, um noch viel Schaden anzurichten.«
    Ich dachte an die beklemmenden Nächte mit sämtlichen Nachbarn im Keller, die Gasmasken griffbereit. Es war ganz still und ruhig dort unten, aber ich lauschte immer auf das Dröhnen der Bomber.
    »Hat der Fettsack Göring nicht verkündet«, murmelte Paula, »dass Berlin nie bombardiert werden wird? Er wollte doch seinen Namen ändern, wenn es so weit kommt.«
    »Paula Fischer«, sagte Klotz mit drohendem Unterton, »möchtest du bitte den Rest der Klasse an deinen Gedanken teilhaben lassen?«
    Paula erhob sich sofort. »Herr Klotz, ich habe gesagt, dass die Luftwaffenpiloten fabelhafte Kerle sind. Später, wenn ich alt genug bin, möchte ich einmal ein Baby von einem Luftwaffenpiloten bekommen, habe ich gesagt.«
    Sie nahm dabei eine dümmliche Kleinmädchenstimme an und sah Klotz direkt in seine kleinen Schweinsäuglein. Die anderen Mädchen legten sich die Hand vors Gesicht, um nicht loszuprusten, und Klotz schluckte. Plötzlich war er knallrot im Gesicht.
    »Sehr lobenswert«, sagte er. »Selbstverständlich träumt jedes deutsche Mädel davon, einen Luftwaffenpiloten zu heiraten. Und von einem Helden zur Mutter gemacht zu werden – du kannst dich setzen, Fischer. Nun …« Er drehte sich wieder zur Tafel und nahm die Kreide zur Hand, »was glaubt ihr, wie diese Karte in einem halben Jahr aussehen wird?«
    »Eigentlich geht es dabei nur um das eine«, meine Paula, als wir in der Pause unsere Brote aßen.
    »Wobei?«, fragte ich zurück. Es war lustig, mit Paula über Jungs und »das eine« zu reden. Wir wurden ganz aufgeregt dabei und lachten viel.
    »Im Krieg. Klotz möchte zur Herrenrasse gehören, damit er sich unter den bezaubernden Französinnen welche aussuchen kann.«
    Ich kicherte. »Und uns predigen sie von Glaube und Schönheit, damit wir uns nicht danebenbenehmen, solange die Soldaten fort sind.«
    »Und zeigen uns Bilder von finsteren, bärtigen Juden mit Hakennasen«, sagte Paula mit der kehligen Stimme eines sexy Filmsternchens, »damit wir wissen, an wen wir uns halten müssen, wenn wir etwas wirklich Aufregendes erleben wollen.«
    Ich musste meinen Apfel hinlegen, damit ich mich nicht vor Lachen daran verschluckte. Dabei hasste ich diese Bilder. Sie waren wie eine Zerrbrille, die mir die Nazis aufsetzten. Und sie erinnerten mich an jenen Tag, an dem ich Hitler zugejubelt hatte.
    »Du weißt aber schon, was Glaube und Schönheit eigentlich bedeuten, oder?«, fragte Paula. »Halt die Klappe und mach die Beine breit.«
    Paula nahm kein Blatt vor den Mund. Vielleicht lag das daran, dass Paulas Großvater ein Baron gewesen war. Ihre Tante und ihr Onkel lebten in einem Schloss am Chiemsee in Bayern.
    In den Nachrichten hieß es ständig, dass die Engländer Berlin keinen ernsthaften Schaden zufügen könnten, trotzdem fingen die Behörden an, Kinder aufs Land zu schicken. Aus meiner Klasse waren es sechs Mädchen. Und als Mama und ich eines Tages vom Einkaufen nach Hause kamen, standen Adolf und Siegfried Mingers mit kleinen Koffern vor ihrer Wohnungstür, mit bangen Mienen und Schildern um den Hals.
    »Sie kommen nach Bayern«, erklärte Frau Mingers, als sie die Wohnungstür abschloss. »Wegen der unprovozierten Bombenangriffe, mit denen die Engländer angefangen haben. Da stecken natürlich die Juden dahinter.«
    Ich spürte, wie Mama neben mir erstarrte. Mir ging es genauso.
    »Was ist mit Willi? Fährt der auch mit?«, erkundigte ich mich. Ich hoffte es, weil er mich immer noch so anglotzte, wenn er mich sah. Ein eindeutiges Zeichen, dass er für mich schwärmte, meinte Paula. Sie riet mir, immer zwei Meter Sicherheitsabstand zu ihm zu halten, das sei eine gute Entfernung, um sich aufdringliche Jungs vom Leib zu halten. »Wenn sie näher herankommen, können sie dich angrapschen.«
    »Nein!«, antwortete Frau Mingers pampig. Sie fuhr ihre knochigen Ellbogen aus, als wollte sie uns damit erstechen. »Willi brauche ich im Laden. Norbert hat sich nämlich als guter Patriot freiwillig gemeldet.«
    Ich sah sie an und dachte, wie schrecklich sie war, doch dann bemerkte ich, dass ihr eine Träne übers Gesicht lief. Ärgerlich wischte sie sie weg. Sie würde ihre Gnome zu Fremden schicken müssen, ihr Mann war im Krieg wie

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