Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)
trieb. Nachdem wir unser Geschäft gemacht hatten und niemand da war, uns die Hintern abzuwischen und die Höschen hochzuziehen, fingen wir an, den Inhalt aus den Pötten zu nehmen und überall zu verschmieren. Als mein Vater nach Hause kam, gab es ein böses Erwachen. Wir hatten ganze Arbeit geleistet, die Wände und der weiße Schrank im Kinderzimmer waren braun verschmiert, es stank zum Himmel, die Scheiße war kaum unter unseren Fingernägeln herauszubürsten. Mein Vater packte uns am Schlafittchen und schleppte uns unter wüstem Schimpfen unter die Dusche, wo er uns abbrauste und gleichzeitig verprügelte, sodass wir in der Badewanne immer wieder ausrutschten, hinfielen und die Köpfe anschlugen, Wasser schluckten, blind vom Schaum in den Augen, den Geschmack von Blut vermischt mit Wasser und »dusch das« im Mund.
Ein anderes Mal nahm uns mein Vater mit zum Einkaufen in ein Einkaufszentrum, an dessen Ausgang ein kleines Karussell in Form einer Lokomotive stand. Wir beobachteten, wie eine Omi ihren Enkel da hinaufhob und liefen hin, um uns das aus nächster Nähe anzusehen und meinem Vater, der an der Kasse in einer langen Schlange warten musste, erwartungsvolle Blicke zuzuwerfen. Ganz klar, wir wollten auch mit der Lokomotive fahren. Es dauerte ewig, bis mein Vater an der Kasse fertig war; es gab eine Diskussion mit der Kassiererin, vielleicht hatte er nicht genug Geld dabei. Als er endlich zu uns kam, erkannte ich – zu spät – seine wütende Miene. Grimmig riss er sich mit den Zähnen kleine Hautfetzen von seinen Lippen, packte uns rechts und links an den Händen, dass sie knackten, und zerrte uns nach Hause.
»Ausziehen und hinlegen!«, befahl er uns, kaum dass wir in der Wohnung waren.
Wir hatten fürchterliche Angst, denn wir wussten, dass etwas Schreckliches passieren würde. Mein Vater ließ keinen Zweifel daran, dass er uns bestrafen würde. Wofür, davon hatten wir keine Ahnung. Uns war klar, dass wir seinen Zorn besser nicht noch schüren sollten, und wir kamen seinen Anweisungen so schnell wie möglich nach. Inzwischen hatte er eine Wäscheleine geholt und begann sie quer über den Flur zu spannen. Hier sollten wir uns nebeneinander auf den Rücken legen. Von der Taille abwärts nackt, mussten wir unsere Beine anheben und auf die Schnur legen, und er umwickelte jeden unserer Füße nochmals mit der Wäscheleine, die er dann an beiden Seiten des Flurs fixierte. So lagen wir hilflos wie zwei kleine Käfer auf dem Rücken, die Beine hochgebunden.
Wir wehrten uns nicht, das taten wir nie, denn wir wussten, dass es dann noch viel schlimmer kommen würde. Mein Vater rauchte und schimpfte, dann nahm er einen Stock aus einer großen Zimmerpflanze, einem Ficus Benjamini, und begann mit aller Kraft auf unsere Hintern und Fußsohlen einzuschlagen. Jeder Hieb verursachte einen entsetzlich brennenden Schmerz, bis ich irgendwann gar nichts mehr fühlte. Im Hintergrund rumorte Kornelia, und so klein wir auch waren, wussten wir doch, dass es besser für sie war, sie hielt sich raus.
Mein Vater schlug und schlug, und als er endlich von uns abließ und uns losband, setzte der Schmerz wieder ein. Wir konnten weder sitzen noch gehen. Po und Fußsohlen waren angeschwollen, und an einigen Stellen war die Haut aufgeplatzt. Kornelia ließ uns ein heißes Bad ein, aber das machte alles nur noch schlimmer. Unsere Wunden brannten wie Feuer, und wir wussten nicht, wie wir in der Wanne sitzen sollten. Uns war es nur möglich zu knien, ohne den Po abzulegen. Noch Tage danach konnte ich weder stehen noch gehen. Meine angeschwollenen Füße passten ohnehin in keinen Schuh.
Wie froh war ich, wenn sich die Wolken verzogen hatten, der Sturm vorüber war und mein Vater wieder lieb zu mir war. Ich musste ja etwas falsch gemacht haben, sonst hätte er mich niemals so streng bestraft. Und doch schien es auch ihm leidzutun, und es kam häufig vor, dass ich nach einer solchen Bestrafung ein schönes Geschenk erhielt. Manchmal entschuldigte sich mein Vater auch bei mir, sogar unter Tränen. Später allerdings tat er das nicht mehr.
Nach der Sache mit dem brennenden Monchichi wagten es unsere Patchwork-Eltern nicht mehr, uns allzu lange allein zu lassen. Stattdessen nahm mein Vater uns nun täglich mit zur Arbeit – das heißt: auf den Firmenparkplatz.
Bevor er zur Arbeit ging und uns im Auto zurückließ, zog er jedes Mal unsere Kleider zurecht, denn oft war es bitterkalt.
»Mama kommt gleich«, sagte er. »Halbe Stunde. Ich
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