Nicht ohne meinen Mops
sich.
»Nein, aber … also, ich hab unwahrscheinlich viel zu tun … meine neue WG und so …«, haspele ich.
»Tanja lebt mit zwei Männern zusammen.« Marc klappt den Mund auf. Melanie klappt den Mund auf. Und Fritz ist es ein inneres Olympia, diesen Satz noch einmal zu wiederholen.
»Ja, sie ist umgezogen, die drei haben auch einen Hund.«
»Ja, einen Mops«, sage ich und krame im Karton. Endlich bekomme ich mit meiner zitternden Hand ein Feuerzeug zu fassen und knalle es neben die Zigarettenpackung auf die Theke.
»Noch was?«
»Äh, nein, also, danke.« In Marcs Pupillen prangen zwei große Fragezeichen. Seine Tanja, die Maus, die schüchterne … zwei Männer? Ha! Oh ja! Marc legt das abgezählte Geld auf den Tisch, schnappt seine Kippen und das Feuerzeug. Jetzt erst sehe ich, dass ich ihm eines von denen gegeben habe, die, wenn sie lange genug in der Hand gehalten werden, das Bild verändern – die Bikinischönheit würde sich demnächst nackig zeigen.
»Na dann«, sagt Marc.
»Ja, na dann«, sage ich. Melanie sagt gar nichts, sondern streicht sich über den Bauch. Die beiden machen auf der Hacke kehrt und ich wünsche Melanie Hämorriden an den Hintern, dazu satte Dehnungsstreifen und 20 Kilo auf die Hüften. Möge das Baby sie sprengen!
Draußen vor dem Laden schnappen sich die beiden den Einkaufswagen. Ich erkenne eine Packung Pampers, Klopapier und Magerquark, der für ein ganzes Bataillon reichen würde. Dann sind sie verschwunden. Meine Knie zittern und ich lasse mich auf den Hocker plumpsen. Olaf sieht mich besorgt an, sagt aber nichts. Er wedelt sich mit der BILD-Zeitung Luft zu, dann macht er sich schweigend auf den Heimweg.
»Hast dich gut gehalten, Mädchen«, sagt Fritz. Und dann ist es aus. Tränen steigen mir in die Augen und vermischen sich mit dem Schweiß. Mein Mineralpuder löst sich endgültig in Wohlgefallen auf. So sitze ich noch da, als zwei Stunden später der Klimaanlagen-Klempner kommt. Es war nur ein loser Stecker. Fritz schaltet die Kühlung auf volle Leistung und die Ventilatoren aus. Ich zittere. Wie ein nackter Eisbär. Aber ganz sicher nicht, weil mir kalt ist.
Earl begrüßt mich mit einem leisen Bellen, als ich erschöpft, müde und mit Matsch im Kopf die Wohnung aufschließe. Der Mops erhebt sich träge von seinem Kissen und watschelt auf mich zu. Sonst wedelt er freudig mit dem Schwänzchen und stupst seine feuchte Plattnase gegen mein Knie, um gestreichelt zu werden oder ein Stück von meiner Feierabend-Brezel abzubekommen. Heute aber verharrt er einen Meter von mir entfernt, legt den Kopf schief und jault.
Earl weint.
Ich weine.
Ich lasse mich auf die Couch fallen.
Earl kriecht zu mir. Legt seinen zerknautschten Kopf auf meinen Schoß und sieht mich aus seinen Knopfaugen traurig an. Rolf reißt seine Zimmertür auf.
»Was ist passiert?« Besorgt eilt er zum Sofa, streichelt abwechselnd mir und Earl über die Schulter. Ich schniefe, heule, jammere und bekomme schließlich Schluckauf.
»Chris, komm mal!«
Unser Hausflorist drückt mit dem Ellbogen die Küchentür auf. Seine Hände sind mit Erde verschmiert.
»Geht nicht, bin grad bei den Erdbeeren«, ruft er. Ich heule noch lauter.
»Geht doch, Momentchen.« Chris wäscht sich die Erde von den Händen und kommt kurz darauf mit einem Karton Kleenex, einer Flasche Prosecco und einer Tafel Milka Noisette wieder. Schweigend setzt er sich neben mich, reicht mir ein Papiertaschentuch und füllt drei Gläser. Ich schnäuze mich und es ist mir völlig wurscht, dass das weder sexy noch damenhaft ist.
»Liebeskummer?« Chris reicht mir das Glas, Rolf fummelt die Schokolade auf, bricht ein Stück ab und schiebt es mir in den Mund. Ich nicke, lutsche Schokolade, schniefe und kippe das Glas in einem Zug hinunter. Sofort füllt Chris nach.
»Männer«, sagt Rolf.
»Oh ja«, sagt Chris.
»Der Arsch«, sage ich. Earl grunzt und trollt sich auf sein Kissen. »Der hat sie geschwängert!«
»Was?«
»Wer? Wen?«
Ein Glas Prosecco und zwei Taschentücher später bin ich so weit, dass ich meinen Jungs die jämmerliche Geschichte von Marc erzählen kann. Wir hatten uns in der Praxis kennengelernt, in der ich damals neu angefangen hatte. Er machte Ferien bei einem Freund, Erholung auf dem Land. Beim Holzhacken hatte Marc sich einen veritablen Spreißel in die linke Hand gerammt, genau zwischen Daumen und Zeigefinger. Den hätte er zwar selbst ziehen können, doch erstens (das wusste ich damals noch nicht) war Marc
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