Nicht ohne meinen Mops
nehme an echten – tiefroten Baccararosen thront auf dem Spülkasten. Auf dem Regal stapeln sich Pappkistchen im Rosendesign, in denen sich vermutlich meine Kosmetiksachen verbergen. Auf dem Klorollenhalter hängt rosa Papier mit eingestanzten Blüten. Langsam trete ich einen Schritt zurück aus dem Rosendschungel.
»Gefällt es dir?« Chris strahlt mich an. »Ich dachte, ich mache unserer Prinzessin eine kleine Überraschung, nach so einem Tag heute.«
»Oh«, sagt Rolf und schürzt ein Husten vor. Ich sehe aber ganz genau, dass er hinter vorgehaltener Hand grinst.
»Öh.« Ich stiere Dornröschens Bidet an.
»Es ist … üppig«, sage ich schließlich.
Chris macht einen Luftsprung und nimmt mich in die Arme. »Wusste ich doch, dass du es magst!«
Der Gute freut sich dermaßen, dass ich nichts mehr sagen kann. Rolf hustet derweil in der Küche weiter. Ich kann förmlich durch die Wand sehen, wie er sich die Lachtränen von der Wange wischt. Earl streckt seine Plattnase in Turnhöschens Rosenzimmerlein und niest. Dann verzieht er sich zu Rolf in die Küche.
»Wenn ich sonst noch was für doch tun kann …« Chris schaut mich erwartungsvoll an.
» Nein !«, rufe ich. »Ich meine … ich muss mal. Dringend.« Ich winde mich aus seiner Umarmung, stürze ins Klo und knalle die Tür zu. Der Rosenbehang schwankt im Luftzug. Durchatmen, Tanja, tief durchatmen. Er meint es nett.
Aaargh!
Jetzt sehe ich, dass die weiße Standardklobrille einem altrosa Teil aus der Omaabteilung im Baumarkt gewichen ist. Egal, ich muss mal. Als ich den Deckel hochklappe, quillt ein Schwall künstlichen Rosenduftes aus der Schüssel. Nase zu und durch, denke ich. Während ich tue, was Prinzessinnen tun, fällt mein Blick auf das Schild, das hinter der mit Stoff beschlagenen Tür hängt: ›A rose is a rose is a rose‹. Feinste Keramik, ganz bestimmt handbemalt von bemitleidenswerten chinesischen Kindern.
Aus dem Spülkasten kommt – oh Wunder! – völlig normales Wasser. Ich wasche meine Hände mit der Rosenseife in Blütenform und trockne sie an einem mit Rosen bestickten Tüchlein ab. Chris erwartet mich draußen und sieht mich prüfend an.
»Es … also … passt ja alles zusammen«, sage ich schließlich. Unser Hausflorist klatscht begeistert in die Hände.
Für Herrn Lehrs Ausdrucke hatte ich dann keinen Nerv mehr und so sitze ich am folgenden Morgen alleine am Küchentisch. Vor mir ein frisch gebrühter Kaffee, zu meinen Füßen ein schnarchender Mops. Ich blättere die Ausdrucke durch und lege sie nebeneinander auf den Tisch. Einige Minuten lang starre ich sie einfach nur an. Die Buchstaben verschwimmen und formen von selbst das Wort ›Arne‹. Der hat sich vom Acker gemacht – in seiner Wohnung ist es totenstill. Zwar verschwindet die Post im Kasten auf merkwürdige Weise (ich nehme an, Frau Otto hat einen Zweitschlüssel), aber vom Mieter selbst fehlt jede Spur. Urlaub? Neuer Job? Herrjeh, wenigstens eine Karte hätte er schreiben können, die Adresse kennt er ja!
Ich wische mir über die Augen, hole in meinem Zimmer Block, Stift und Telefon. Dann schnappe ich mir den ersten Zettel und wähle die angegebene Nummer. Als Stellenprofil steht dort ›Pflegerin‹. Nach dreimal klingeln hebt jemand ab. Es knattert in der Leitung, dann sagt ein Mann: »Hallo?«
»Ich rufe wegen der Anzeige an. Sie suchen eine Pflegerin?«
»Jaaaa …«
»Mein Name ist Tanja Böhm, ich bin gelernte Arzthelferin.«
»Soooo …«
»Ich habe auch Erfahrung im Umgang mit Kranken und Pflegebedürftigen!«
»Aaaaaach …«
»Wie sieht denn die Stelle aus? Ich meine, was müsste ich machen?«
»Schätzchen, wie siehst du denn aus?«
»Wie bitte?«
»Na, Oberweite, so was …«
»…«
»Biste gut gebaut?«
Zack. Ich lege auf. Frechheit. Der kann sich und seinen kleinen Hannes mal fein selbst pflegen. Ich glaub’s ja nicht! Also notiere ich auf meinem Block: ›Pflegestelle unzumutbar‹.
Und dann geht’s weiter im Text: Unter der Nummer für eine Reinigungskraft meldet sich niemand. Zum Glück, darauf hätte ich auch keine Lust. Notiz: ›Arbeitgeber nicht erreichbar.‹ Das gleiche Spiel ist es mit der Aushilfskraft in einer Bäckerei (davon kann kein Mensch leben, wetten?), der Dreiviertelstelle in einer Reinigung (den ganzen Tag Hemden bügeln? Nein danke – wenn ich das wollte, hätte ich einen Mann) und der Urlaubsvertretung in einer Blumenhandlung (Chris wäre begeistert, aber zu viel Grün auf einmal ist auch nicht
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