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Nicht ohne meinen Mops

Nicht ohne meinen Mops

Titel: Nicht ohne meinen Mops Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Porath
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gesund).
    Eine Stunde, zwei Tassen Kaffee, zig Zigaretten und ein halbes Paket Prinzenrolle später wähle ich die Nummer, unter der eine Empfangsdame gesucht wird. Das kenne ich aus guten Hotels (lange ist es her, damals noch mit Marc, dem Arsch). Schicke Mädels sitzen mit adretten Frisürchen am Empfangstresen, gekleidet in feinen Zwirn, und lächeln die ankommenden Gäste an. Das dürfte nicht allzu schwer sein. Ich setze mich aufrecht hin, das soll sich positiv auf die Stimme auswirken, pinne mir ein Lächeln ins Gesicht und höre dem Freizeichen zu. Nach dem siebten Tuten meldet sich eine tiefe, raue Stimme.
    »Emmie am Apparat, hallo?«
    Mein Lächeln verrutscht für einen Moment. Das kann kein Fünfsternehotel sein. Nun gut.
    »Tanja Böhme, guten Tag«, schnurre ich los. »Ich habe ihre Anzeige gesehen und würde mich gerne als Empfangsdame bewerben.«
    »Ah, ja?«, sagt Emmie mit Vibrato in der Stimme. »Hast du denn Erfahrung in der Branche?«
    Sie duzt mich? Na, das scheint ja eine moderne Firma zu sein. »Ja, doch schon, gewissermaßen«, sage ich und straffe die Schultern. »Also, ich komme aus der Medizinbranche und da gehörte es auch zu meinen Aufgaben, telefonisch Termine zu vereinbaren.«
    »Perfekt«, meint Emmie und ich höre, dass sie einen tiefen Zug nimmt. Ich tippe auf Rothändle ohne Filter oder einen Zigarillo, wie sonst sollte sie an eine so raue Stimme kommen?
    »Ich hab hier schon einige schlechte Erfahrungen mit Mädels gemacht, die waren zu blöd, sich die Namen der Kunden zu notieren und solche Sachen.«
    »Ja, klar, das darf nicht passieren«, sage ich.
    »Ganz genau. Meine Rede! Wann kannst du denn vorbeikommen?«
    Ui, Emmie hat es aber eilig. Ich eigentlich auch, wenn ich an meinen Kontostand denke.
    »Wie wäre es jetzt gleich?«, höre ich mich sagen. Im selben Moment fällt mir ein, dass meine Haare nicht gewaschen sind, dass ich wahrscheinlich keine einzige gebügelte Bluse im Schrank habe und Nagellack selbstverständlich auch nicht an den Fingernägeln ist.
    »Gut, freut mich«, brummt Emmie und gibt mir die Adresse durch. Ich notiere die Straße und sause in mein Zimmer. Die Tiffanydame wird von der Sonne durchleuchtet und scheint mir zuzuzwinkern. Ich nehme das als gutes Omen, friemele aus den ungewaschenen Haaren etwas, das an einen Dutt erinnert und fische das nachtblaue Kostüm (getragen zu Tante Trudes 65. Geburtstag) aus dem Schrank. Tatsächlich sind alle Blusen zerknittert, also entscheide ich mich für ein weißes T-Shirt. Das ist zwar am rechten Ärmel eingerissen, aber unter der Jacke sieht das ja keiner. Schnell noch ein bisschen Parfum, dezenten Gloss und ab die Post.
    Keine halbe Stunde später stehe ich vor dem Haus in der Augustenstraße, das Emmie mir angegeben hat. Wie ein Hotel sieht das nicht aus. Auch nicht wie das Gebäude einer Firma, die sich den Luxus eines Empfangsfräuleins leisten kann. Von links umhüllt mich der Gestank aus einer Dönerbude, von rechts hält eine miefige Fritteuse aus einem Imbiss dagegen. Das Haus, in dem mein neuer Arbeitsplatz sein soll, hat vier Stockwerke. Hinter allen Fenstern sind dieselben Vorhänge, weiß mit roten Rosen. Die Fassade besticht ansonsten durch den abblätternden Putz. Ich schätze, vor Jahrzehnten war der mal weiß. Der Eingang liegt um die Ecke in einem schmalen Durchgang, in dem offensichtlich der Abfall aus der Pommesbude gelagert wird. Die Haustür ist knallrot gestrichen und neben der Klingel hängt nur ein einziges Schild: ›Bei Emmie.‹
    Ich bimmele bei Emmie und streiche meinen Rock glatt. Die Chefin muss ja nicht sofort sehen, dass direkt über dem Knie eine Laufmasche Richtung Po läuft. Dann setze ich ein, wie ich hoffe, kompetentes Gesicht auf. Wenige Augenblicke später wird geöffnet – und mir bleibt der Mund offen stehen: Im Türrahmen erscheint ein mit schwarzer Lackmaske und Lederhose angezogener Mann.
    »Tretet ein, die Herrin erwartet euch«, schnurrt das Wesen.
    Ich widerstehe dem Impuls, einen Schritt zurückzutreten. Stattdessen folge ich, quasi gegen meinen Willen, dem Lackmann ins Haus. Der Flur ist dämmerig. An den Wänden hängen Peitschen und Handschellen. Du liebe Güte!
    Der Lackmann schnauft schwer hinter seiner Maske und öffnet die erste Tür. Mit einer tiefen Verbeugung bittet er mich in das Zimmer. Ich bin auf alles gefasst – und stehe in einer stinknormalen Küche, wie sie auch Tante Trude haben könnte: Eckbank, Gasherd und in die Jahre gekommene Resopalmöbel.

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