Nicht ohne meinen Mops
Super-Plus-Benzin, meinen Herzmotor zum Rasen.
›Wir müssen reden‹, will ich sagen, als Chris mit einem an den Rändern ausgefransten Handtuch, das noch aus meiner Kindergartenzeit stammt, aus der Küche kommt. Lässig wirft er mir den Lappen zu und verschwindet. Ich versuche, das Tuch so zu halten, dass Arne den ausgewaschenen Pinocchio nicht sieht. Er sieht ihn trotzdem. Und grinst.
»Das ist mein Lieblingshandtuch«, sage ich trotzig und rubbele meine Füße trocken.
»Schön«, kommentiert Arne, schaut dabei aber nicht auf das Frotteetuch, sondern mich an.
Ich rubbele weiter. Arne schweigt. Ich schweige. Und dann rutscht er ein winziges Stückchen näher. Millimeter nur, aber weit genug, dass ich meine Erziehung und die vornehme Zurückhaltung, die Tante Trude mir predigte, auf einen Schlag vergesse.
»Wo zum Teufel warst du denn? Hättest du dich nicht mal melden können?«
»Hast du dir Sorgen gemacht?«
Sorgen? Ich? Ja: um mich, verdammt noch eins!
»Ich? Sorgen? Pah!« Tanja gibt die Trotzige.
»Tanja, hör zu, es tut mir leid. Ich habe Zeit gebraucht. Um mir klar zu werden.«
»Sag mal, aus welcher Hollywoodschnulze hast du den Satz geklaut?«
»Hey, ich verstehe, wenn du sauer bist. Das wäre ich an deiner Stelle auch.«
Na prima – dann sei du doch mal wochenlang ohne Geld, ohne Job und ohne Nachricht von dem Kerl, der dir den Kopf verdreht und das Herz gestohlen hat!
»Pffft.«
»Ich war bei Sandra.« Peng. Arne hätte mir auch einen Hammer über den Schädel hauen können, die Wirkung wäre dieselbe gewesen. Traute Zweisamkeit mit der angeblichen Ex? Toll. Großes Kino. Wo bleibt die Schlussklappe?
»Na und?«
»Ich … verdammt, Tanja, zwischen uns läuft nichts mehr, Sandra ist … scheiße, nur noch eine gute Freundin, aber sie hat eben was, was du nicht hast.« Arne grinst. Ich spüre, dass meine Faust in sein Gesicht will. Dieser Arsch! Aber ich schlage keine Männer. Noch nicht.
»Toll«, knurre ich stattdessen, stehe auf und gehe in mein Zimmer. Wortlos – und ohne, dass ich die Tür zuknalle. Mir wäre zwar sehr danach, aber ich will mich beherrschen. Um jeden Preis.
»Jetzt bleib doch mal hier«, ruft Arne mir hinterher.
Ich schweige. Starre die Tiffanydame an. Schweige weiter.
»Tanja?« Als es klopft, macht mein Herz einen Satz. Ich könnte jetzt aufmachen. Arne auf mein Bett ziehen und dafür sorgen, dass sich die blassen Wangen der gläsernen Dame rot färben. Aber ich tue nichts dergleichen. Miss Tiffy starrt zurück. Arne klopft noch einmal. Dann höre ich, wie seine Schritte sich entfernen.
»Tschüss dann!«, ruft er.
»Tschö«, kommt es zweistimmig aus der Küche.
»Wuff«, kommt es einstimmig vom Hundekissen.
Und dann verschwimmt die Tiffanydame vor meinen Augen. Jetzt wird es doch kitschig – hollywoodreif rollen mir dicke Tränen über die Wangen und ich schmeiße mich aufs Bett wie einst die Mädels aus Beverly Hills 90210. Heule auf wie Scarlet O’Hara. Gebe mich meinem Schmerz hin wie Lassie, wenn man ihr den Knochen wegnimmt.
»Da hilft nur eins«, höre ich hinter mir eine Stimme. Chris’ Stimme, der mich jetzt in den Arm nimmt. Ich heule sein Shirt voll, während er mir hingebungsvoll den Rücken streichelt.
»Baff bilft?«, nuschle ich gegen seine vollgerotzte Schulter. Wäre Chris nicht schwul – er wäre längst angeekelt aufgesprungen. Aber Chris kennt das, da bin ich mir sicher. Auch er hat in seinem Leben bestimmt schon viele fremde Shirts vollgesabbert.
»Jetzt hilft nur noch Eis«, sagt er und klopft mir auf den Rücken. Ich bekomme Schluckauf. Immer, wenn ich ausgiebig heule, bekomme ich das große Hicksen. Mir ist es noch nie gelungen, mich in den Schlaf zu heulen, wenn es mal wirklich ernst war. Denn immer dann, wenn der Tränenstrom kurz vor dem Versiegen ist und andere Menschen hingebungsvoll und erleichtert gähnen, meldet sich bei mir ein heftiger Schluckauf. Kieksend und rülpsend (ich schlucke stets unwahrscheinlich viel Luft, die sich explosionsartig den Weg nach draußen bahnt, was in meiner Umgebung schon für viel Heiterkeit gesorgt hat) folge ich Chris ins Wohnzimmer. Rolf drapiert eben eine Familienpackung Mövenpick auf dem Couchtisch und schiebt eine DVD in den Player.
»Tanja-Tröst-Programm, Hardcore-Version«, sagt er und drückt die Starttaste. Und während ich mir das Amarettoeis auf der Zunge zergehen lasse und mein Zwerchfell sich langsam beruhigt, läuft der Vorspann zum Eurovision Song Contest 2009,
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