Nicht ohne meinen Mops
ich gar nichts mehr«, sage ich wahrheitsgemäß.
»Na ja, die Spenden sind gestrichen, aber der Rettungswagen ist da und die kleine Praxis voll eingerichtet. Ich brauch meinen Anteil am Haus, um die ersten Raten für den Wagen und die Praxismiete zu bezahlen.« Arne strahlt.
»Du übernimmst die Tierrettung?«
»Jepp!« Arne strahlt noch mehr. Und er strahlt wie der sprichwörtliche Apfelbutzen, als ich aufstehe, um den Tisch herumgehe und mich vor ihm aufbaue.
»Dann ging es gar nicht um eine Frau?«
»Doch, aber um dich!« Arne steht auf und einen Moment lang stehen wir uns stumm gegenüber. Und dann heule ich los und Arne küsst mich und ich küsse ihn und wir lachen und irgendwann sind wir bei der Tiffanydame angelangt und ich schwöre: Sie ist knallrot geworden!
So rosig ich mich beim Gedanken an Arne fühle, so rot ist auch mein Kontostand einige Wochen später. Die Welt hüllt sich in Jingle Bells, der legendäre Stuttgarter Weihnachtsmarkt lockt ganze Busladungen Touristen an, ein Kaufhaus glitzert mit dem anderen um die Wette und noch immer hat Herr Lehr vom Amt keine Stelle für mich in Aussicht. Je länger ich arbeitslos bin, desto geringer meine Chance, um Hartz IV herumzukommen. Die Weihnachtsgeschenke werden in diesem Jahr mager – sehr mager! – ausfallen. Ein wenig kann ich mich bei der Lektüre von tiermedizinischer Fachliteratur vom Adventstrubel ablenken. Immerhin haben Arne und ich, wenn er völlig erledigt von seinen Rettungstouren nach Hause kommt, nun ein gemeinsames Thema. Und ich kann ihm aus meiner Zeit als Arzthelferin noch den einen oder anderen Tipp zur einfacheren Abrechnung und besseren Organisation des Medikamentenvorrates geben. Das alles geht aber nur, wenn wir nicht dafür sorgen, dass meine Tiffanydame sanft errötet … und das tun wir oft!
Dennoch nagt die allgegenwärtige Gefühlsduselei des Dezembers an mir – und die Jungs sind mir auch keine Hilfe. Mit viel Liebe zum Detail (und es sind viele, viele Details!) verwandelt Chris unsere Wohnung in einen begehbaren Weihnachts(alb)traum. Allüberall stapeln sich Engelchen und Nikoläuse, allüberall blinken Lichtlein und drehen sich Püppchen auf Spieluhren und allüberall stolpere ich über Lichterbögen aus dem Erzgebirge und Stapel von Gospel-CDs. Selbst Rolf, der sonst so rational ist, flippt aus und hängt pünktlich zum 1. Dezember vier Adventskalender in der Küche auf. Drei sind mit Schokolade gefüllt und der vierte mit Hundekeksen. Earls Kalender ist mit Abstand der größte und mit Sicherheit der teuerste!
In der Bücherei ist in diesen Tagen Anfang Dezember herzlich wenig los. Blüslein hatte am 1. Dezember einen etwas angestaubt wirkenden winzigen Weihnachtsstern auf den Tresen gestellt und als ich am 5. Dezember vom kalten Regen aufgeweicht in die heiligen Hallen komme und mich als einzige Kundin des Tages an einen Tisch setze, steht Blüslein auf, schleicht zu mir hin und stellt mir wortlos eine mit Plätzchen gefüllte Untertasse vor die Nase.
»Essen ist eigentlich nicht erlaubt«, sagt sie lächelnd und ehe ich mich bedanken kann, verschwindet sie hinter der Tür mit der Aufschrift ›Archiv‹. Ich könnte wetten, dass sie rot geworden ist über dem steifen Blusenkragen! Die Vanillekipferl zergehen auf der Zunge und während ich mich in den Verdauungsapparat von Würgeschlangen einarbeite, kommt Blüslein zurück und platziert einen Becher dampfenden Tee vor mir.
»Trinken ist sicher auch nicht erlaubt?«, frage ich und zwinkere ihr zu.
»Nein, eigentlich nicht«, murmelt sie und sieht sehr betreten aus. »Aber Sie sahen so verfroren aus …«
»Danke!« Stimmt, ich friere tatsächlich. Die Temperatur in der Bibliothek ist nicht gerade Bikini-tauglich und das Wetter draußen nass, kalt, windig, kurz: eklig. Ehe ich Blüslein sagen kann, wie lecker die Kipferl schmecken, ist sie schon wieder verschwunden und duckt sich hinter ihrem Tresen. Na gut, ich widme mich dem schematischen Schnitt durch eine Boa, schlürfe Hagebuttentee und beschließe, aus dem Vorrat der Jungs eine Tafel Milka zu mopsen und sie am nächsten Tag heimlich auf Blüsleins Tresen zu platzieren.
Leider kann ich heute nicht lange bleiben, denn Dirk Lehr, der sich mein ›Arbeitsvermittler‹ schimpft, hat mich per amtlichem Formular zu sich bestellt. Und so mache ich mich kurz nach der Mittagspause durch den eiskalten Regen auf den Weg zum Amt. Das Wetter ist weder gut für meine Frisur noch für meine Laune. Selbst die
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