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Nicht schießen, Johnny!

Nicht schießen, Johnny!

Titel: Nicht schießen, Johnny! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ball
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Angesicht zu Angesicht gegenüber, und Mike war betroffen über den Ausdruck von Kraft und Autorität in den dunklen Augen des anderen.
    »Ich möchte Ihren Revolver sehen, Mr. McGuire, und zwar auf der Stelle, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    Mike spürte, daß er sich nicht weigern durfte. Er marschierte an seiner Frau vorbei aus der Küche und quer durch das kleine Wohnzimmer, wobei er seine Rolle als Herr des Hauses aufrechtzuerhalten suchte. Er blieb vor dem schmalen Wäscheschrank stehen und öffnete die Tür. Einen Augenblick später drehte er sich und fand Tibbs direkt hinter sich.
    »Er ist weg«, sagte Mike.

4. Kapitel

    Diesmal fragte Virgil Tibbs nicht, ob er das Telefon benützen dürfte. Er ging in die Küche zurück, hob den Hörer ab und wählte die Nummer des Polizeipräsidiums.
    »Tibbs. Ich bin bei den McGuires«, berichtete er. »Johnny, der Junge, ist noch nicht nach Hause gekommen. Es ist fast sicher, daß er den geladenen Revolver seines Vaters mitgenommen hat; und er weiß, wie man damit umgeht.«
    »Großer Gott!« rief der Sergeant vom Dienst. »Es ist also wahr.«
    »Ja, leider. Rufen Sie am besten gleich bei den Hotchkiss’ an und sagen Sie Barry Rothberg Bescheid. Und lassen Sie das Haus von ein paar Leuten überwachen. Vielleicht kommt der Junge von selbst nach Hause - ich hoffe zu Gott, daß er’s tut -, aber wir können nicht darauf bauen. Leiten Sie die übliche Vermißtenfahndung ein - Krankenhäuser und so weiter. Ich bleibe noch für eine Weile hier.«
    Er legte auf und wandte sich um. Die McGuires hatten zugehört; sie standen nebeneinander und starrten ihn bestürzt an. »Ich möchte Sie nicht unnötig aufregen«, sagte er, »aber die Sache kann schlimm werden. Ich hoffe, daß Johnny von selbst nach Hause kommt. Und wenn das der Fall ist, empfehle ich Ihnen, den Jungen ganz besonders liebevoll zu behandeln. Das braucht er nämlich.«
    Maggie fing leise an zu weinen.
    »Sie sollten sich lieber hinsetzen«, meinte Virgil. »Ich habe Ihnen einiges zu erzählen.«
    Mike, dem für den Moment alle seine Streitlust abhanden gekommen war, gehorchte stumm, und Maggie folgte, vor sich hinschluchzend, seinem Beispiel.
    Mit ruhiger, sachlicher Stimme erzählte Tibbs den beiden, was auf dem Schulhof geschehen war, und wie heftig Johnny darauf reagiert hatte. Dann wiederholte er Ralph Hotchkiss’ Angebot, das entzweigegangene Radio durch ein neues zu ersetzen.
    Mike überlegte sich die Sache. »Wenn dieser Hotchkiss ihm ein neues Radio, mit Batterie und allem, kaufen will, dann, glaube ich, ist das so weit okay. Aber es war verdammt gemein, was sein Junge unserem Johnny angetan hat, und ich kann’s Johnny nicht verdenken, daß er aufgebracht war. Dieser neunmalgescheite Hotchkiss-Bengel verdient ’ne ordentliche Tracht Prügel, und vielleicht wird Johnny ihn sich eines Tages mal vorknöpfen.« Bei den letzten Worten dämmerte es ihm langsam; er erbleichte. »Mein Schießeisen«, flüsterte er. »Johnny hat das Schießeisen mitgenommen.«
    Virgil nickte grimmig. »Ja, Mr. McGuire, er hat Ihren Revolver. Meiner Meinung nach beabsichtigt er, ihn zu benutzen, und die Familie Hotchkiss ist in großer Angst.«
    »Oh, mein Gott, nein!«
    Maggie schlug die Hände vors Gesicht und beugte sich über den Tisch; ihre Schultern zuckten. Mike sprang auf, legte den Arm um sie und strich ihr übers Haar, um sie zu beschwichtigen und zugleich damit seine eigene Fassungslosigkeit zu verbergen.
    Nach ihrem verzweifelten Aufschrei wurde Maggie ruhiger und begann zu weinen. Weil sie kein Taschentuch hatte, riß Mike ein Stück Papier von der Handtuchrolle und gab es ihr.
    Tibbs wartete stumm; als sie das feuchte, zerknüllte Stück Papier wegschubste, reichte er ihr sein eigenes sauberes Taschentuch.
    Sie betrachtete es unschlüssig, nahm es dann, wischte sich die Augen und putze sich die Nase. Dann sah sie zu Tibbs auf und fragte: »Was können wir tun?«
    »Also, Sie bleiben hier und warten auf Ihren Jungen. Wenn er kommt, sagen sie ihm, daß Sie sich seinetwegen große Sorgen gemacht hätten, aber schimpfen Sie ihn nicht aus. Geben Sie ihm sein Dinner, verwöhnen Sie ihn ein bißchen, damit er sich ganz wohl fühlt, und rufen Sie mich dann sofort an. Wenn ich nicht da sein sollte, sprechen Sie mit dem Beamten, der den Anruf entgegennimmt.« Er legte eine Visitenkarte auf den Tisch.
    Mike gab zu verstehen, daß sie Tibbs’ Anweisungen befolgen würden. Er hatte inzwischen eine ziemlich klare Vorstellung

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