Nicht schießen, Johnny!
schwaches Hurra.
Es war das erste ermutigende Zeichen. Die Spieler reagierten sichtbar darauf; die Bälle flogen schneller, höher, die Schlaghölzer trafen härter. Virgil war tief befriedigt. Es konnte Johnny nicht verborgen bleiben, daß seine Helden eigens für ihn eine Sondervorstellung gaben.
Als Ted Bowsfield an der Tunnelmündung auftauchte, wandte sich Virgil erleichtert ihm zu. »In ein paar Minuten könnten vielleicht ein oder zwei Spieler Johnny zuwinken und ihn zum Mitmachen animieren. Ich glaube, das wird ihn bewegen, herunterzukommen. Es gibt ihm einen Vorwand.«
»Ich kümmere mich sofort darum«, sagte Bowsfield.
»Bemühen Sie sich nicht«, nuschelte Charles Dempsey, der plötzlich, wie vom Himmel gefallen, dastand, »ich mache das schon.« Bevor jemand ihn packen konnte, war er auf und davon und setzte mit seinen langen Beinen über den Rasen. Endlich konnte er sich hervortun, und er hatte offenbar die feste Absicht, die günstige Gelegenheit voll auszunutzen. Virgil war so wütend, daß er den Schlaks am liebsten niedergeschossen hätte.
Sport sprach mit zwei Spielern und rannte zur nächsten Gruppe. Es hatte keinen Zweck mehr, ihn zurückzuholen; er war nun für jedermann deutlich sichtbar. Tibbs konnte nur hoffen, daß er von oben, durch den steilen Blickwinkel, nicht zu erkennen war.
Dann, nach vollbrachter Mission, erlag Dempsey der Versuchung, von seinem neuen vorteilhaften Aussichtspunkt nach der Kabine zu linsen.
Ein, zwei Sekunden lang geschah nichts. Dann hörte man einen wilden, verzweifelten Schrei, einen herzzerreißenden, qualvollen Laut wie von einem verwundeten Tier. Er gefror in der Luft, als die Kabine abermals höher zu gleiten begann.
»Stellt den Strom ab!« brüllte Virgil. Bowsfield gab in den Tunnel hinunter ein Zeichen, und gleich darauf kam die Kabine zum Halten. »Was jetzt?« fragte der Manager der Angels.
Virgil war zum Heulen zumute.
»Wir haben ein Fahrzeug der Feuerwehr da«, fügte Bowsfield hinzu. »Drei verschiedene Männer haben sich erboten, den Jungen ’runterzuholen; sie wissen über den Revolver Bescheid. Ich fürchte nur, daß die Leitern jetzt nicht mehr reichen.«
Tibbs beobachtete Dempsey, der mit hängenden Ohren und belämmerter Miene vom Platz schlich. Obwohl noch immer Bälle hin- und herflogen, waren die Spieler nicht mehr bei der Sache. Sie wußten nicht, wer Dempsey war, spürten aber, daß seine bloße Gegenwart alle ihre Bemühungen zunichte gemacht hatte. Virgil war sich klar darüber, daß alles weitere nun einzig und allein von ihm abhing. Er durfte nicht aufgeben; er mußte sich etwas einfallen lassen, und es mußte ein Knüller sein. Die Lage hatte sich womöglich noch verschlimmert; Dempseys Anblick hatte den Jungen außer Rand und Band gebracht. Er hatte sich in noch größere Höhe geflüchtet. Er konnte nicht herunterkommen, weil der Strom abgeschaltet war; und Virgil wagte nicht, ihn wieder einschalten zu lassen. Das große A der California Angels war das höchste Bauwerk in Orange County, und die Wartungskabine fuhr nicht nur bis zur Spitze, sondern umkreiste auch, an der Führungsschiene hängend, den Heiligenschein, ein grauenerregendes Erlebnis für einen überreizten neunjährigen Jungen.
Tibbs ging im Geist sämtliche Fakten durch, die sich im Lauf der Ermittlungen angesammelt hatten. Und plötzlich hatte er eine Erleuchtung. Fast gelassen wandte er sich an Ted Bowsfield und sagte: »Ich brauche Ihre Hilfe.«
»Im voraus bewilligt. Worum geht es?«
Virgil erklärte es ihm - in vier schnellen gedrängten Sätzen.
Der Manager sah ihn durchdringend an. »Gar nicht so schlecht. Es könnte klappen. Kommen Sie.«
Er fischte einen Schlüsselring aus der Tasche und ging rasch voran durch den Tunnel bis dahin, wo die Elektrokarren geparkt waren. Er bestieg den vordersten und steckte einen Schlüssel ins Zündschloß. Sobald Virgil neben ihm stand, trat er auf den Fußhebel, und der Karren sauste mit ziemlichem Tempo den Tunnel hinunter.
Sie kamen am Klubhaus vorbei und bogen in eine schräg ansteigende Rampe ein. Oben lenkte Bowsfield scharf herum und ging die nächste Rampe an.
»Wie weit können Sie in dem Ding fahren?« fragte Tibbs.
»Innerhalb des Stadions überallhin. Es wurde für diesen Zweck konstruiert.«
Die Rampe beschrieb eine Haarnadelkurve und führte weiter hinauf. Links unten erstreckte sich der Parkplatz wie ein riesiger asphaltierter Billardtisch. Der Karren schnurrte an der Ehrentribüne vorbei.
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