Nicht schon wieder Champagner! - The Ex-Debutante
ihre Outfits bewunderten oder sie darum beneideten, wie sehr sie sich wünschte, ihre Schwester würde ihr näherstehen.
Hätte sie diese Zeilen mit Blut geschrieben oder sich mit dem Satan verbündet, wäre ich nicht verblüffter gewesen. Savannah hatte genauso an ihrer Einsamkeit und dem Desinteresse unserer Mutter gelitten wie ich.
Eine Stunde später kehrte ich in die Klinik zurück. Savannahs Tür stand halb offen, und sie war allein. Sie schaute aus dem Fenster, Tränen in den Augen. Die Primadonna war verschwunden. Zum ersten Mal sah ich die Tochter, mir selbst gar nicht so unähnlich, überwältigt von einer Mutter, gegen die wir uns beide machtlos fühlten, die ständig Trost brauchte und uns niemals tröstete. Wahrscheinlich wusste Ridgely nicht, wie man das machte. In meiner Schwester hatte ich immer nur ein Mädchen, dann eine Frau gesehen, die stets ihren Willen
durchsetzte, einfach nur, weil sie schön war mit ihren wohlgeformten Wangenknochen und der hohen, arroganten Stirn. Wie ich jetzt erkannte, drückte ihre Schönheit keine Arroganz aus, sondern Schmerz, als würde sie widerwillig mit einem unerwünschten Partner tanzen.
Ich betrat den Raum mit den weiß getünchten Wänden und halb geschlossenen Metalljalousien. »Hey.«
Langsam strich sie über ihre Augen. Als sie sich zu mir wandte, sah ich die Maske zurückkehren. Der Schmerz wurde an den Rand der Tanzfläche gedrängt, die lebensrettende Arroganz hervorgeholt. »Bist du nicht nach Hause gefahren?«
»Doch.« Ich zuckte die Achseln. »Und jetzt bin ich wieder da.«
»Du siehst schrecklich aus.«
»Danke«, sagte ich belustigt.
»Warum lächelst du?«
»Weil ich mich danach fühle.«
Verächtlich schnaufte sie, dann stockte ihr Atem, als ich zur Seite des Betts ging und mich vorsichtig zu ihr legte.
»O Gott, Carlisle, was machst du?«
Während ich mich neben ihr ausstreckte, achtete ich auf die Kanüle in ihrem Arm. »Ich möchte bei meiner Schwester sein«, erklärte ich, auf einen Ellbogen gestützt.
Ehrlich gesagt, sie schien in Panik zu geraten - als wäre eine Verrückte zu ihr ins Bett gekrochen. Sie schaute sogar auf die Taste, mit der sie eine Krankenschwester rufen konnte. Und vielleicht war ich wirklich verrückt. Vielleicht
war es zu spät, um ihre Schwester zu werden, so wie sie es in unserer frühen Jugend ersehnt hatte.
»Nun, ich dachte, wir könnten einander die Haare flechten«, antwortete ich, »über Jungs reden, wie alle Mädchen. Und du erklärst mir, was ich tun muss, um mein Leben nicht zu vermasseln.«
Halb misstrauisch, halb verstört starrte sie mich an.
»Heute brauche ich einen klugen Menschen«, fügte ich leise hinzu. »Und wer würde mir bessere Ratschläge geben als meine große Schwester?«
In ihren Augen glänzten neue Tränen, die sie zu bekämpfen versuchte.
Ich drehte mich auf den Rücken und blickte zur Zimmerdecke hinauf, denn sie sollte nicht weinen, wenn sie’s nicht wollte. »Und danach könnten wir Geheimnisse miteinander teilen.« Meine Stimme drohte zu brechen. »Wie richtige Schwestern.«
Da brach sie zusammen. »O Carlisle«, würgte sie hervor, »mein Baby.«
Noch nie hatte ich ein weibliches Mitglied meiner Familie so dramatisch weinen sehen. Bei Tage! Ein heftiges Schluchzen erschütterte ihren ganzen Körper.
Weil es nichts zu sagen gab, schlang ich einfach nur meinen Arm um ihren Hals und drückte sie an mich.
»Was kann ich denn tun?«, klagte sie.
»Da fällt mir eine ganze Menge ein.«
Zitternd rang sie nach Luft. »Ich habe nicht studiert, so wie du. Und ich bin nur hübsch, sonst nichts.«
Die letzten Worte hatte sie fast unhörbar geflüstert, wie im Beichtstuhl der katholischen Kirche am südlichen
Ende der Stadt. Keine Ahnung, was ich darauf antworten sollte …
»Wenn ich nicht einmal Kinder kriege - wozu bin ich dann zu gebrauchen?«
Meine Mutter und meine Schwester bahnten sich ihren Weg durchs Leben mit den Waffen ihrer blonden Haare und blauen Augen - mit ihrer Schönheit. Bisher hatte ich stets angenommen, sie würden eine mühelose Methode wählen, aber nun war ich mir da nicht mehr so sicher. Irgendwann würde die Schönheit welken.
»O Savannah …«, mit gerunzelter Stirn, zermarterte ich mir das Gehirn auf der Suche nach einem wirksamen Trost. »Du bist großartig. Und du kannst alles machen, was du willst.«
»Sag das nicht!«, protestierte sie und versteifte sich in meinem Arm.
Klar, es war idiotisch. Trotzdem ließ sich nicht
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