Nicht schon wieder Champagner! - The Ex-Debutante
Und dann fasste Jack einen Entschluss. Das merkte ich ihm an. Er holte tief Luft und presste den übergewichtigen Biertrinker an die Wand. In seinen Augen las ich blanken Hass.
»Wow«, murmelten die anderen Jungs und traten zurück.
»Verdammt«, rief Eddie, »für diese Scheiße seid ihr schon zu lange befreundet!«
Irgendwie hatte ich das Gefühl, Jack wollte seinen Gegner umbringen.
»Jack?«, sagte ich leise und sah einen Schauer durch seinen Körper rinnen. Sekunden später rang er noch einmal nach Atem und ließ Roger los. Er schüttelte sich, grinste und tätschelte die Schulter des Fettwansts, als würde er einen kleinen Bruder aufmuntern.
»Mach ihr keinen Ärger, Roger. Das ist alles, worum ich dich bitte.«
Roger schluckte. »Klar, Mann, tut mir leid.«
»Okay.« Jack nickte, und sie gaben sich tatsächlich die Hände.
Keine Ahnung, was ich von alldem halten sollte … Im Umgang mit Jungs völlig unerfahren, hatte ich so etwas noch nie gesehen. Ich drückte meine Tasche an die Brust, und nachdem das kleine Haus der unmittelbaren Gefahr entronnen war, wollte ich die weiteren Ereignisse nicht verfolgen und eilte davon.
Aber Jack war noch nicht mit mir fertig und folgte mir in mein Zimmer - so selbstverständlich, als wären keine vier Jahre seit unserer letzten Begegnung verstrichen. »Tut mir ehrlich leid«, beteuerte er. »Wie geht’s dir?«
Mein Herz pochte schneller. Verstört sah ich ihn umherwandern, das schwarze Brett mit dem Kalender, meinem Studien- und Diätplan inspizieren. Vor meinem Schreibtisch blieb er stehen, und meine Herzschläge setzten sekundenlang aus, weil er verwirrt die Stirn runzelte und den Plastikring berührte, den er mir in der Highschool
geschenkt hatte. Der war an einer Kette befestigt und hing an einem dekorativen Knauf, der aus dem Spiegelrahmen ragte. Ja, ich weiß, geradezu erbärmlich … Aber um mich zu verteidigen: Ich war erst achtzehn.
Beinahe sah ich die Rädchen in seinem Gehirn rotieren, aber anscheinend begriff er nicht, was seine Entdeckung bedeutete.
»Jack?«, platzte ich heraus.
Immer noch verständnislos, drehte er sich um.
»Wolltest du was wissen?«, unterbrach ich seinen Gedankengang.
»Was?«
»Ah - hast du nicht gefragt, wie’s mir geht?« Ziemlich lahm. Aber er sollte sich nicht erinnern, woher der Ring stammte, das wäre zu peinlich gewesen. Hastig redete ich weiter. »Übrigens, mir geht’s gut. Und dir? Offenbar hast du die kleine Keilerei unbeschadet überstanden.«
Da lachte er. »Im Lauf der Jahre habe ich mich schon oft mit Roger geprügelt. Und heute war’s sicher nicht das letzte Mal.«
O Gott.
»Nun …« Was sollte man darauf antworten? »Jetzt musst du sicher gehen.«
»Ja.« Achselzuckend schaute er mich an. »Ich wollte nur sehen, ob du okay bist.«
Wie war’s nur möglich, dass ich mich in der Nähe dieses wilden Jungen so seltsam - geborgen fühlte? »Ich? Ja, mit mir ist alles in Ordnung.«
»Roger ist gar nicht so übel. Aber er merkt, dass du ihn nicht magst.«
Erst bringt er ihn fast um, und jetzt verteidigt er ihn?
»Unsinn, es gibt niemanden, den ich nicht mag.«
Jetzt lachte er wieder. »So wie Roger sind nicht alle Jungs.«
»Glaub mir, seinetwegen sorge ich mich kein bisschen. Die Jungs von deiner Sorte beunruhigen mich.«
»Was - ich?«
Wie ein Szenenwechsel in einer Boulevardkomödie erklang eine Mädchenstimme. » Jack, wo bist du?«
Ich nickte. »Ja, vor dir muss sich ein Mädchen in Acht nehmen.«
»Warum?«
»Weil du ein typischer Herzensbrecher bist.«
»Aber ich will dein Herz gar nicht brechen.«
Diesmal lachte ich. »Dazu kriegst du auch gar keine Chance.«
» Jack! «
»Beeil dich«, sagte ich und schob ihn zur Tür.
Sobald er die Schwelle überquert hatte, warf ich die Tür zu. Schutzschild aktiviert, Radar eingeschaltet. Niemals wollte ich so wie meine Mutter werden, deren Leben sich ständig um irgendeinen Mann drehte. Das hatte ich mir in jenem Moment ganz fest vorgenommen.
Und während ich jetzt, Jahre später, im Foley Building stand, erinnerte ich mich an meinen Entschluss. Ich schloss die Augen in diesem rosa Marmorbau und dachte an Boston, das geordnete Straßennetz in der Back Bay, die gepflegten Rasenflächen in der Back Bay, an Phillip, die tröstliche Ausstrahlung seiner rotblonden Haare und hellgrünen Augen.
»Grenzen«, wisperte ich.
Als ich die Augen öffnete, begegnete ich Jacks forschendem Blick, und er sah genauso beklommen aus, wie ich mich
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