Nicht schon wieder Champagner! - The Ex-Debutante
hat vier Tische für den Debütantinnenball bestellt.«
Eigentlich sollte man meinen, die Reporter würden das Theater durchschauen und erkennen, was sie bezweckte: ihre Wahl zur Debütantin des Jahres. Vielleicht merkten sie’s ja auch, denn sobald Morgan den Raum betrat, vergaßen sie India und stürzten sich auf meine Nichte.
Sie trug ein ärmelloses Etuikleid aus heller mintgrüner Seide mit geradem Ausschnitt und einer breiten Schärpe um die Taille. Mit ihrem sanft gewellten braunen Haar sah sie wie der ideale Teenager-Filmstar aus - ein Mädchentyp, den die Fotografen lieben.
Trotz des farbenfrohen Kleids war sie nicht mehr Cyndi Lauper. Ihrer Mutter glich sie ebenso wenig. Im Gegensatz zu India staunte sie über die Aufmerksamkeit, die sie erregte. Irgendwie schaffte sie’s, auf dem schmalen Grat zwischen Kampfgeist und Verlegenheit zu balancieren. Zu welcher Frau würde sie heranwachsen? Flüchtig überlegte ich, wie interessant es wäre, das zu beobachten.
Morgans Erfolg schürte Indias Zorn. Mit hochrotem Gesicht stürmte das Mädchen davon und ignorierte Sashas spitzen Kommentar über die Presse, die man nicht belügen dürfe.
Allzu weit kam India nicht, denn ihr Vater hielt sie am Arm fest. Was er zu ihr sagte, hörte ich nicht. Aber er sah
nicht besonders erfreut aus. Vermutlich äußerte er ähnliche Vorwürfe wie Sasha.
Wie auch immer, Vater und Tochter wechselten ein paar (zweifellos unfreundliche) Worte. Danach runzelte India die Stirn und ging zu einer kleinen Bühne. Kurz bevor sie ihr Ziel erreichte, ergriff Gertrude die Hand ihrer Enkelin. Im Gegensatz zu Hunter umarmte sie das Mädchen, und India versteifte sich. Trotzdem beobachtete ich, wie sie aufatmete und sich entspannte. Dieses Gefühl kannte ich. Weil ich es jedes Mal spürte, wenn ich die Fürsorge aus Phillips Stimme heraushörte, seine Güte - das Versprechen, alles würde sich zum Guten wenden.
»Hallo!«, rief India ins Mikrofon. Bis das Stimmengewirr verstummte, dauerte es eine Weile.
»Vielen Dank, dass Sie alle hierhergekommen sind«, begann sie selbstbewusst. »Das ist eine großartige Party. Wie könnte es auch anders sein, hier in New York? Vielen Dank für all die wundervollen Dinge, die Sie über mich gesagt haben - über meine Schönheit und mein Talent und so …«
Hunter zog die Brauen zusammen. Falls er sie angewiesen hatte, den Gästen zu danken, musste er sich eine andere Formulierung vorgestellt haben.
»Ohne meinen fantastischen Vater würde ich jetzt nicht hier stehen«, fuhr sie fort. »Das alles tut er für mich. Weil er weiß, dass ich es wert bin!« Wie ein Cheerleader streckte sie ihre Faust in die Luft.
Wenn sie auf donnernden Applaus gehofft hatte, wurde sie bitter enttäuscht. Stattdessen ging ein missbilligendes
Raunen durch den Raum. Die Falten auf der Stirn ihres Vaters vertieften sich. Am liebsten hätte sie frustriert mit dem Fuß aufgestampft. Das sah ich ihr an.
Nur ihre Großmutter betrachtete sie mit liebevollen Augen.
»Danke, Grandma«, seufzte sie leise, und das Mikrofon verstärkte ihre Stimme. »Danke, dass du an mich glaubst.« Dann schweifte ihr Blick wieder über die Gästeschar. »Noch einmal vielen Dank, dass Sie alle gekommen sind, um mit mir zu feiern. Ich fühle mich geehrt.«
Wenn ich auch nicht darauf wetten würde - diesmal klangen ihre Worte aufrichtig.
Langsam ließ sie ihre Faust sinken. Nach einer kurzen Pause klang Beifall auf. Also hatte sie’s doch noch hingekriegt. Hunter hob das Kinn und schien seine Tochter nachdenklich zu mustern. Dann lächelte er ihr zu. Vielleicht setzte er doch noch gewisse Hoffnungen in India. Die beiden starrten sich an, und endlich lächelte auch das Mädchen. Hektisch flammten Blitzlichter auf.
Strahlend winkte India in die Kameras und posierte wie Paris Hilton auf einem Laufsteg ( vor der Gefängnisstrafe), drehte sich dahin und dorthin. Die Szene dauerte etwa fünf Minuten, bis ich ihren Vater gehen sah. Offenbar besaß India ausgezeichnete Augen, denn sie entdeckte ihn trotz der grellen Blitzlichter. Sichtlich bestürzt hielt sie den Atem an, sprang in ihrem Silberkleid von der kleinen Bühne und bahnte sich einen Weg durch die Menge. Als sie Hunter erreichte, waren die beiden nur wenige Schritte von mir entfernt.
»Wohin gehst du, Daddy?«
»Ich habe in Kuwait zu tun«, erwiderte er ungeduldig. »Die 737 wird dich nach Hause bringen.«
»Aber - Daddy …«
»Was denn, India? Du hast deine Party bekommen, jetzt bin ich
Weitere Kostenlose Bücher