Nicht schon wieder ein Vampir! (German Edition)
noch so an seiner Mutter hängt, mir natürlich nicht hilft, Abstand zu gewinnen. Aber man kann ja nicht einfach so mit einer Leiche bei einem Bestatter auftauchen. Man braucht einen Totenschein und was weiß ich noch alles. Gut, ich könnte vielleicht einbrechen und sie selbst verbrennen, doch dann sind wir wieder bei dem Problem, dass ich unfähig bin, ihr in ihrem gegenwärtigen Zustand etwas anzutun.«
»Ist die Alraune für sie?« Ich weiß nicht genau, warum ich das fragte, aber mir kam plötzlich der Gedanke, dass Sebastian vielleicht darauf hoffte, doch noch ein Heilmittel für Teréza zu finden.
Er sah mir zum ersten Mal in die Augen, seit wir begonnen hatten, über sie zu sprechen. »Ja, teilweise.«
Ich legte die Hand auf seinen Arm. »Den Tod kann man nicht heilen, Sebastian.«
»Ich schon!«, entgegnete er, und seine Augen funkelten.
»Was redest du da?«
»Magie und Wissenschaft! Alchemie! Ich habe mein Leben lang nach einem Mittel gegen den Tod gesucht. Und irgendwann bin ich über die Lösung gestolpert. Sieh mich an, ich bin der lebende Beweis.«
Ich kratzte mich am Nacken. »Was willst du damit sagen? Dass du durch Alchemie zum Vampir geworden bist?«
»So ist es.« Er lächelte zufrieden. Es war kein selbstgefälliges Lächeln, wie ich es von seinem Sohn kannte, sondern eines, aus dem eine regelrecht kindliche Begeisterung sprach, nach dem Motto: Cool, was? Meine Mundwinkel gingen nach oben, und mein Herz schmolz dahin.
»Du bist süß«, sagte ich.
Er zog skeptisch die Augenbrauen hoch. »Ja?«
Ich beugte mich vor und gab ihm einen Kuss auf die Nase. »Ja, das bist du.«
Er legte einen Arm um meine Schultern. »Ich fand ›süß‹ immer ein bisschen beleidigend. Sollte ich nicht eher umwerfend oder wahnsinnig sexy oder …?«
Ich unterbrach ihn mit einem leidenschaftlicheren Kuss, um ihm zu verstehen zu geben, wie heiß ich ihn fand. Seine Zunge schmeckte nach Dill. »Das alles bist du natürlich, Sebastian. Aber ›süß‹ ist in diesem Fall genau richtig. Vertrau mir.«
»Muss ich ja wohl.«
Ich lächelte ihn liebevoll an. Ich konnte mit dieser Teréza-Geschichte leben, obwohl sie sehr bizarr war. Sebastian hatte eine gute Seele, auch wenn ich seine Aura nicht sehen konnte. Eines allerdings beschäftigte mich sehr. Etwas, das die Lage verkomplizieren konnte, nachdem meine Gefühle für ihn wieder erwacht waren. »Willst du Teréza mit Alchemie wiederbeleben?«
»Ja.« Er hielt nachdenklich inne und nagte an seiner Unterlippe, während er mit sich zu hadern schien. »Also … nein.« Er sah mich seufzend an. »Ich weiß es nicht.«
Ich runzelte die Stirn, weil ich ihm nicht recht folgen konnte.
»Teréza ist ein komplizierter Fall«, sagte Sebastian. »Sie ist jetzt schon sehr lange tot beziehungsweise untot. Falls ich die Rezeptur noch einmal hinbekomme, was keineswegs sicher ist, wie bringe ich Teréza dann dazu, das Elixier zu schlucken? Eine Injektion funktioniert auch nicht; in ihren Adern fließt schließlich kein Blut mehr. Ich müsste etwas finden, das auch durch tote Haut resorbiert wird, aber da sind wir wieder bei dem Punkt, dass man dazu einen funktionierenden Blutkreislauf braucht …«
Er verstummte. Vielleicht war ihm bewusst geworden, wie frankensteinmäßig er klang, vielleicht hatte er aber auch einfach nur meinen entsetzten Gesichtsausdruck bemerkt. Große Göttin, Sebastian!, hätte ich am liebsten gesagt, man kann eine Leiche doch nicht nach hundertfünfzig Jahren wiederbeleben – hast du noch nie Die Affenpfote gelesen? Es kam mir vor, als wäre sein ganzes Leben – seine Existenz nach dem Tod, besser gesagt – eine einzige Aneinanderreihung von Friedhof-der-Kuscheltiere -Momenten. Für ihn war das alles natürlich ganz normal.
»Ich muss das Elixier irgendwie noch einmal herstellen«, sagte Sebastian, lehnte sich wieder zurück und wandte den Blick von mir ab. »Ich spüre, dass die Wirkung nachlässt. Wenn ich den Zauber nicht wiederholen kann, bin ich bald schon ein Gefangener der Nacht oder … Na ja, ich bin mir nicht sicher.«
»Dann schützt dich also der Trank, der dich zum Vampir gemacht hat, auch vor der Sonne?«
Sebastian schwieg eine Weile, dann sagte er: »Ja.«
Ich sah ihn erwartungsvoll an, weil es so klang, als müsste noch ein Aber folgen, doch Sebastian stand wortlos auf. Er ging zum Zaun und rupfte das Unkraut aus, das um einen der Pfähle wuchs. Dann schritt er den ganzen Zaun ab und begann, systematisch alles zu entfernen, was
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