Nicht schon wieder ein Vampir! (German Edition)
wehte der Duft von frisch gemähtem Gras herein. Die Tür war geschlossen, damit Parrish vor den gefährlichen UV-Strahlen geschützt war.
Ich liebte meine Küche. Als Hexe hatte ich sie ganz bewusst zum Herzstück meines Zuhauses gemacht. Ahornholzschränke reichten vom Boden bis zur Decke, und der Raum war – wie in den meisten viktorianischen Häusern – recht beengt. Doch statt ihn etwas geräumiger zu gestalten, hatte ich die Wände pfirsichgelb gestrichen, wodurch er noch kleiner wirkte, und die Regale mit Büchern und allem möglichen Nippes gefüllt. Die Handarbeiten meiner Großmutter hingen gerahmt an den Wänden. Die Küche war mein Nest.
Während ich einen besonders hartnäckigen Käseklumpen mit der Bürste bearbeitete, der am Rand meines Lieblingstopfes klebte, dachte ich über die vergangenen Tage nach. Angefangen damit, dass Lilith meinen Führerschein vernichtet hatte, waren sie ziemlich turbulent gewesen.
Lilith war in den letzten achtundvierzig Stunden allgegenwärtig gewesen. Seit der Nacht, in der wir eins geworden waren, war SIE noch nie so präsent gewesen. Wir teilten uns diesen Körper eigentlich ohne größere Probleme. An den meisten Tagen dachte ich ehrlich gesagt kaum daran, dass SIE in mir war. SIE ließ mich weitgehend ein ganz normales Leben führen. Manchmal musste ich SIE zurückdrängen, wenn ich zum Beispiel eine besonders starke Empfindung hatte wie Wut oder … nun ja, auch Lust, aber bislang hatte ich noch jedes Mal gewonnen. Ich hatte SIE immer in Schach halten können.
Mit Schaudern dachte ich daran, wie hilflos ich mich gefühlt hatte, als ich plötzlich nicht mehr in meinem Körper gewesen war. Wie hatte SIE das angestellt? Und wieso hatte ich nicht nur einen, sondern gleich zwei Träume gehabt, in denen SIE zu mir gesprochen hatte?
Irgendetwas stimmte nicht.
Ich musste mich ordentlich ins Zeug legen, um die festgeklebten Käsereste zu entfernen, und prompt begann die Bisswunde an meiner Schulter wieder zu schmerzen. Was sollte ich nur mit Sebastian machen? Lilith konnte ihn nicht ausstehen; so viel war klar. Ich mochte ihn zwar, aber er brachte einigen Ballast mit: einen nervigen Sohn und die Leiche einer Geliebten, die tot oder nicht ganz tot war und für die er immer noch etwas empfand, und … tja, nun gab es auch noch das Problem mit dem gestohlenen Buch, an dem ich zwar nicht allein schuld war, doch ein Problem war es nichtsdestotrotz.
Und als Krönung dieser völlig verrückten zwei Tage war auch noch mein Vampir-Ex aufgekreuzt und hatte sich bei mir einquartiert. Sein unerwartetes Auftauchen war mir ein bisschen zu verdächtig. Es war bestimmt kein Zufall. Ich konnte mir zwar noch keinen Reim auf die ganze Sache machen, aber ich hatte das Gefühl, dass alles irgendwie miteinander in Zusammenhang stand.
Barney sprang auf die Arbeitsplatte und spazierte langsam am Spülbecken vorbei, wobei sie vorsichtig um den Wasserhahn herumstelzte. Vor dem übervollen Abtropfgestell, das ihr im Weg war, blieb sie stehen und sah mich bedeutungsvoll an, als wollte sie mich auffordern, das störende Hindernis zu entfernen.
»Ich räume gleich alles weg«, log ich. Ich hatte nicht die Absicht, das nasse Geschirr und die anderen Utensilien anzurühren, die ich zu einem großen Haufen auf dem Abtropfgitter aufgetürmt hatte. Noch mehr als Abwaschen hasste ich es nämlich, den ganzen Kram hinterher wegzusortieren. Wozu sollte ich die Sachen in die Schränke räumen, wenn ich sie später sowieso wieder herausnahm? Es war doch viel einfacher, sie stehen zu lassen und sich immer das zu nehmen, was man gerade brauchte.
Ich zog den Stöpsel und beobachtete zusammen mit Barney, wie die schmutzige Seifenlauge im Abfluss verschwand. »Was meinst du?«, fragte ich sie. »Warum ist Parrish hier?«
Ihr lang gezogenes »Miau« klang ein bisschen wie »keine Ahnung«.
»Und was ist mit Lilith?«, fragte ich. »Warum ist SIE im Moment so stark?«
Als Antwort sprang Barney auf das Regal, auf dem ich meine Rezepte und die Ephemeriden-Tabelle aufbewahrte, mit deren Hilfe ich meine Tageshoroskope erstellte.
In den nächsten Stunden brütete ich über meinen Astrologiebüchern.
Zuerst las ich noch einmal alles über den Jupiter nach. Der Jupiter ist der »große Wohltäter«. Er ist das astrologische Symbol für Reichtum, Glück, Optimismus und Großzügigkeit. Wenn ein Planet rückläufig ist, dann gilt seine Energie als blockiert. Kurz gesagt konnte ich nicht auf Glück hoffen, solange
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