Nicht schon wieder ein Vampir! (German Edition)
absoluter Idiot vor.
Es war nicht in Englisch abgefasst.
Natürlich nicht! Sebastian war Österreicher; das hatte er mir selbst gesagt. Selbst wenn ich Deutsch oder Latein oder was auch immer gekonnt hätte, hätte ich das Buch wohl nicht lesen können. Sprachen veränderten sich schließlich in einem Zeitraum von tausend Jahren. Bei Latein hätte ich vielleicht noch eine Chance gehabt, weil es keine lebende Sprache war, aber ehrlich gesagt beschränkten sich meine Lateinkenntnisse auf ein paar botanische Fachbegriffe und den Ausdruck Deus ex machina , und einen solchen unerwarteten Helfer hätte ich jetzt wirklich gut gebrauchen können.
Da ich nichts Besseres zu tun hatte, blätterte ich ein bisschen in dem Buch herum. Ich nahm an, dass Sebastian seine Notizen irgendwann noch einmal abgeschrieben hatte, denn das Papier oder Pergament oder was auch immer zerbröselte nicht, als ich es anfasste, obwohl es sich ziemlich brüchig anfühlte. Die Seiten rochen etwas moderig, doch ich war beeindruckt, dass das Buch nach so langer Zeit überhaupt noch zusammenhielt.
Als ich wieder an den Anfang zurückblätterte, fiel mir auf, dass Sebastian auf die Innenseite des Buchdeckels 1824 geschrieben hatte, gefolgt von ein paar Wörtern, die ich nicht lesen konnte, dann 1206 . Ich kam mir ziemlich genial vor, als ich schlussfolgerte, dass es sich bei der ersten Zahl um das Jahr der Abschrift handeln musste und bei der zweiten um das Jahr, in dem er das Original angefangen hatte.
Ein guter Anfang.
In dem Buch waren zahlreiche weitere arabische Ziffern verstreut, auf die ich mir jedoch keinen Reim machen konnte. Auch mit der mathematischen Formel, die über mehrere Seiten ging, konnte ich nichts anfangen. Ich erkannte jedoch einige astrologische Symbole. Ich verbrachte ein paar Minuten damit, etwas zu entschlüsseln, das vage nach einem Geburtsdiagramm aussah, gab aber auf, als mir klar wurde, dass die Häuser auf eine mir unbekannte Art und Weise geordnet waren. Außerdem störte mich, dass Uranus, Neptun und Pluto fehlten, die natürlich seinerzeit noch nicht entdeckt worden waren.
Frustriert klappte ich das Buch zu und rieb mir den Nacken. Ich brauchte dringend eine Dusche und ein Nickerchen, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.
Um in mein Schlafzimmer zu kommen, musste ich mich an Parrish vorbeischleichen. Als ich zu sehen glaubte, dass er den Kopf hob, hastete ich rasch weiter und verschwand, bevor er etwas sagen konnte.
Meine Tür hatte kein Schloss, zumindest kein handelsübliches. Ich machte die Augen zu und aktivierte meine magischen Kräfte, indem ich Kontakt zu den Elementen aufnahm, die ich eigens zu diesem Zweck auf meinem Regalaltar aufbewahrte: ein glänzender Flusskiesel für Erde, eine Gänsefeder für Luft, ein Streichholzbriefchen für Feuer, ein silberner Kelch für Wasser und die Statue einer Nilgöttin aus schwarzem Onyx für Geist. Meine Beine kribbelten, als die Macht von meinen Füßen aufstieg wie Wasser in den Wurzeln eines Baumes. Als ich spürte, wie sie aus meinem Kopf hinausströmte und sich in den Raum ergoss, legte ich die linke Hand an die Tür. Die rechte hatte ich auf meinen Unterleib gebettet. Normalerweise hielten Hexen die Hand hoch, um ihre Göttin anzurufen, aber meine wohnte mir ja inne.
»Wenn ich es nicht wünsche, kommt niemand herein«, sagte ich. »Wie ich es will, so möge es sein.«
Ich zeichnete mit dem Finger ein Pentakel an die Tür, dann steckte ich einen Energiestrahl hinein.
Der Strahl erschien vor meinem geistigen Auge als goldener Draht. Ich flocht ihn um das tiefviolette Pentagramm, und als ich damit fertig war, erstrahlte es in einem goldenen Glanz. Jetzt war ich hinter der Tür sicher. Niemand konnte das Zimmer betreten.
Da ich nun schon im Zaubermodus war, nahm ich mein Athame – meinen Ritualdolch – vom Regal, um auf dem Dachboden den Schutzzauber zu wirken. Die Tür war immer abgeschlossen, der Schlüssel hing allerdings an der Klinke. Das sollte mich daran erinnern, dass ich der Magie eigentlich abgeschworen hatte. Ich hatte mir überlegt, dass ich mir meines Tuns viel bewusster wäre, wenn ich mir jedes Mal die Mühe machen müsste, die Tür aufzuschließen.
Ich verspürte den Anflug eines schlechten Gewissens, als ich den Schlüssel im Schloss drehte. Wäre jemand in meine Privatsphäre eingedrungen, empfände ich es als ein schlimmes Vergehen. Auch ich hatte ein Buch der Schatten, ein Grimoire. Darin schrieb ich meine Rituale und Zaubersprüche auf
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