Nicht schon wieder ein Vampir! (German Edition)
gebrauchen konnte und sie nicht so leicht zu finden waren.
Ich goss das Wasser in den Kelch, das ich bei Vollmond aufgeladen hatte. Das heißt, ich hatte meine Energie hineinfließen lassen, um es zu weihen und ihm magische Kräfte zu verleihen, indem ich ihm einen bestimmten Nutzen zugesprochen hatte. Hexenweihwasser. Das würde der Kongregation gefallen.
Eigentlich hätte ich das Wasser gar nicht aufladen dürfen, denn ich wollte doch die Finger von der Zauberei lassen. Aber eines Nachts war ich mit einem heftigen Verlangen danach erwacht. Es war wirklich peinlich; ich war ein richtiger Magie-Junkie. Kein Wunder, dass Lilith immer stärker wurde: Ich nährte SIE ja auch permanent!
Ich schüttelte den Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben, und konzentrierte mich auf meine Aufgabe. Die Silbermünze warf ich in den mit Wasser gefüllten Kelch.
Dann hielt ich den Kelch ins Licht und stellte mir vor, die Sonnenstrahlen wären die starken, wärmenden Arme einer fürsorglichen, friedlichen Göttin.
»Strahlende Göttin, halt mich und gib auf mich acht; wache über mich bei Tag und bei Nacht!«
Ich wartete mit angehaltenem Atem ab, ob Lilith an die Oberfläche kommen würde. Um IHR keinen Grund für einen Eifersuchtsanfall zu geben, hatte ich meine Bitte mit Absicht so vage formuliert und nicht den Namen einer anderen Göttin genannt.
Wunderbarerweise rührte Lilith sich nicht. Offenbar war ich vorsichtig genug gewesen. Es bedeutete aber wahrscheinlich auch, dass der Zauber nicht ewig halten würde, denn Lilith geriet bestimmt ziemlich in Rage, wenn SIE feststellte, dass ich versuchte, mich auch vor IHR zu schützen.
Die Sonne schien mir warm ins Gesicht. Ich nahm einen Schluck von dem Wasser, dann stellte ich es zur Seite, um es später meinen Topfpflanzen als Trankopfer zukommen zu lassen. Die Münze fischte ich aus dem Kelch und steckte sie als Talisman in die Hosentasche. Ich dankte der Strahlenden Göttin, die das Ritual mit IHRER Anwesenheit beehrt hatte, dann beendete ich es. Ich entließ die Himmelsrichtungen und öffnete den Kreis wieder, indem ich das Pentakel gegen den Uhrzeigersinn abschritt.
»Der Kreis ist geöffnet, aber …«, begann ich die traditionelle Schlussformel, dann stockte ich. Im Rahmen eines Rituals hatte ich diese Worte seit jener Nacht nicht mehr ausgesprochen. »So möge es sein«, schob ich hastig nach.
Dann ging ich nach unten, schloss die Tür hinter mir ab, krabbelte in mein Bett und schlief ein.
Sebastians Grimoire spielte eine wichtige Rolle in meinen Träumen.
Zahlen und Symbole geisterten in meinem Kopf herum und fügten sich immer wieder zu wirren Kombinationen zusammen, deren Bedeutung sich mir entzog. Zuerst war ich selbst in dem Buch und stand zwischen den Wörtern und Symbolen. Im nächsten Moment saß ich davor und schaute auf die Seiten, als ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter spürte.
Ich schaute mich um. Obwohl niemand zu sehen war, fühlte ich mich beobachtet. Aus dem Augenwinkel sah ich am mondhellen Himmel etwas Schwarzes vorbeiflattern. Als ich wieder in das Buch schaute, konnte ich den Text plötzlich lesen. Er bestand nur aus einem Satz, der sich stets wiederholte: »Ich will mein verdammtes Grimoire zurückhaben, du diebisches Miststück!«
Ich wurde wach, weil ich das Gefühl hatte, es hätte geklopft. Ich lauschte angespannt, dann rief ich, wenn auch leise: »Sebastian? Parrish?«
Keine Reaktion, nur ein klagendes Miauen und Kratzgeräusche waren zu hören.
»Komm rein, Barney«, sagte ich und stand auf, um die Tür einen Spalt zu öffnen. »Ich muss sowieso aufstehen.«
Barney schlängelte sich herein, setzte sich kerzengerade aufs Bett und legte den Schwanz um ihre Pfoten. Als sie sicher war, dass sie meine Aufmerksamkeit hatte, nieste sie.
»Tut mir leid, okay?«, sagte ich, nahm rasch das Athame zur Hand und machte eine Schnittbewegung in Richtung Tür, um den Zauber aufzuheben, mit dem ich sie versehen hatte. Zerstören war um einiges leichter als Erschaffen.
Ich hatte viel länger geschlafen als beabsichtigt. Wie ich mit einem raschen Blick auf den Wecker feststellte, war es bereits nach sieben. Draußen wurde es dunkel, und die Straßenlaternen gingen an. Parrish war bestimmt schon aktiv.
Nachdem ich Sebastians Klamotten ausgezogen hatte, stöberte ich in meinem Schrank, bis ich etwas Legeres fand, das zugleich sexy war. Nach einer schnellen Dusche zog ich einen schwarzen, vorn geschnürten Body an und dazu meine älteste,
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