Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nicht schwindelfrei - Roman

Nicht schwindelfrei - Roman

Titel: Nicht schwindelfrei - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon Verlag
Vom Netzwerk:
mit seiner Frau verständigen.
    Siehst du, sagte Marion: Er bewegt sich.
    Solche Dinge hatten sich zugetragen.
    Condrau empfahl Bewegung im Freien. Beim Aufzählen der möglichen Betätigungen geriet er jedes Mal in eine kurze sportliche Begeisterung. Er sah so gesund aus wie nur möglich, ganz einverstanden mit sich selbst.
    Paul fügte sich gern. Er ging täglich an die frische Luft. Er kannte Regionen am Stadtrand oder am See, wo sie frischer war als anderswo. Doch er kam auch mit der verdorbenen Luft von Unterführungen, Bahnhofhallen, Strassenkreuzungen gut zurecht.
    Paul entdeckte die Treppen, die aus unterirdischen Passagen in ein Licht aufstiegen, das alles verhiess und das die Verheissung ein paar Schritte später auch gleich erfüllte. Er stand mitten in einem Geriesel von Licht.
    Paul sah die Treppenstufen als steinerne Schritte. Ihr Hellerwerden, ihr Menschenmass. Es gab Tage, da stiess er überall auf dieses Mass, bei Häusern, bei Tischen und Stühlen, bei Tellern und Tassen, bei Kleidern. So viele dienende Dinge. Und was nicht handlich oder passend war, ein Kraut in einer Ritze am wenig begangenen Rand der Treppe etwa, das hiess Natur.
    Er ging dem See entlang. Er ging und stand. Manche Schwäne hatten ihre Köpfe tief zwischen den Flügeln, vom Hals war nur der kräftige Ansatz zu sehen,
gebogen wie der Siphon eines Abflussrohrs. Die Schwäne schaukelten und waren unwahrscheinlich weiss.
    Paul sah ein Blässhuhn unter einem Bootssteg,
der mit seinen Planken ein sonniges Streifenmuster auf das Wasser legte. Da das Blässhuhn in Fahrt war, zogen die Sonnenstreifen rollladenartig über seinen Rücken hinweg. Paul sah, wie die Tiere ihr Leben zubrachten. Was sie oft rätselhaft machte, war das Selbstverständliche all ihrer Tätigkeiten. Dass sie überhaupt mit uns leben mochten, zum Beispiel die Vögel, die fortzogen und wiederkehrten, war ein grosses Entgegenkommen.
    â€žVerwandtschaft“ mochte ein brauchbares Wort sein für das, was er spürte, aber es klang übertrieben,
sobald er es aussprach. So verhielt es sich mit vielen Wörtern. An die Stelle von „Verwandtschaft“ setzte er die weniger aufdringliche Wendung „gute Nachbarschaft“. Sie wahrte den Abstand, den man den Tieren und vermutlich auch den Pflanzen schuldete. Zu Menschen war der Abstand variabel. Es gab Verabredungen, Missverständnisse und Momente, in denen man froh die weiche Wolle des anderen spürte, auf die man gar nicht gefasst war.
    Paul hatte sich das Wort „überhaupt“ auf einen Zettel notiert und an die Wand geheftet. Geleitet von „überhaupt“ würde das Denken, hoffte er, zur Ruhe kommen. Weitere viel versprechende Wörter kamen später dazu.
    Paul strich mit der Hand über Marions Haut. Er fuhr ihrem Körper entlang, wendete bei der Kniekehle oder machte den ganzen Weg bis zum Fuss und dann auf der Innenseite des Schenkels über das raue Haarpolster hinauf zum Bauch, zur Brust, zur Schulter, zum Ohr. Er wusste natürlich wie ihre Haut beschaffen war, wusste es aber nicht dauerhaft, nicht für lange. Immer wieder wusste er es eigentlich gar nicht mehr. Seine Hand konnte das, was sie spürte, nicht glauben: dass es so etwas Sanftes und Lebendiges überhaupt gab. Ist es denn menschenmöglich?, fragte die Hand und suchte weiter und weiter nach der endgültigen Antwort.
    Paul sagte: Deine Haut ist sanft und endlos, Marion.
    Du übertreibst, sagte sie.
    Und er: Sag mir, wo sie aufhört.
    Ach, Paul, seufzte sie.
    Marions Zunge tastete nach seiner Zunge. Ihr Speichel war sehr angenehm. Sie schmeckte ihm überhaupt, diese ganze Frau. Wenn er die Decke ein wenig hob, dann höher hob, war da auch ihr ausgebreiteter Anblick.
    Jeder hatte nun seine Zunge wieder im eigenen Mund untergebracht. Paul legte seine Hand zwischen Marions Schenkel, und sie machte der Hand etwas Platz. Sie lächelte sehr schön, sehr himmlisch. Sie schien das zu mögen, seine Hand an dieser Stelle, oder sie nahm die Hand als Zeichen der Genesung. So oder so ergab sich daraus ein Vergnügen.
    Paul kämmte ihr Schamhaar mit den Fingerspitzen. Eine Art Scheitel entstand dabei von selbst. Ihre Scham hatte viele Namen. Das Ding mit den vielen Namen, sagte Paul. Sein Glied hatte sich zurecht gemacht. Dem musste man das nicht zweimal sagen. Es hatte sich herausgeputzt und glänzte wie am Sonntag. Marion gab ihm je nach

Weitere Kostenlose Bücher