Nicht so laut vor Jericho
Qualitäten nachteilig zu beeinflussen…«
Ich verstummte. Ein Schauer des Entsetzens kroch meinen Rücken hoch. Was für eine Ausdrucksweise war das? Woher kannte ich sie? Wer sprach da aus meiner Kehle?
Nein! Um Gottes willen: nein!
Es war – und der Wagen wäre fast ins Schleudern geraten, als mir das innewurde – es war Abba Eban.
Genau so spricht er, unser Außenminister. Genau mit dieser Technik ist er in den Ruf gekommen, einer der größten lebenden Redner zu sein, genau damit beeindruckt er die Generalversammlung der Vereinten Nationen: mit Amirs Ja-Nein-Ich-Schwarz-Weiß-Spiel.
Zugegeben: er beherrscht die Regeln des Spiels ganz hervorragend.
Die Guten und die Bösen
Wenn im Fernsehen ein Wildwestfilm gezeigt wird, sieht man immer einen Bösen, der einen Guten tückisch niederschießt. In unserer eigenen orientalischen Wildwestsituation weigert sich der Gute, dem Bösen entgegenzukommen und sich von ihm erschießen zu lassen. Seither gilt ER als der Böse, und das ist gut. Sogar im britischen Fernsehen.
Wenn Sie ein Fernsehreporter, ein Freund des Vorderen Orients und ein richtiger Engländer sind, brauche ich Ihnen nichts über den Begriff der Fairness zu erzählen und nichts über das noble englische Prinzip, immer und unter allen Umständen unparteiisch zu bleiben. Wie sehr es Sie auch locken mag, aus jenem sportlichen Geist, der für Ihr Volk so typisch ist, die Partei des Schwächeren zu ergreifen – Sie werden sich nie dazu hergeben, Ägypten, Jordanien, Irak, Syrien, Saudi-Arabien, Kuweit, Algerien, Marokko, Libyen, den Sudan und Süd-Jemen offen zu unterstützen. Vielmehr erblicken Sie Ihre Aufgabe darin, dem britischen Fernsehpublikum die nüchternen Tatsachen zu präsentieren – und die Schlußfolgerungen dem persönlichen Urteil des Betrachters zu überlassen. Daher ist es unumgänglich geboten, daß Sie in Ihren Fernseh-Reportagen die Zustände auf beiden Seiten der Waffenstillstandslinie zeigen, ohne jedes Vorurteil, ohne zu manipulieren, von nichts anderem geleitet als vom Streben nach objektiver Berichterstattung.
Das darf Sie natürlich nicht hindern, jede sich bietende Gelegenheit zu eindrucksvollen Effekten und Kontrasten wahrzunehmen. Zum Beispiel könnten Sie die dramatische Situation im Nahen Osten auf folgende Weise aufrollen:
Ein paar armselige, halb zerfallene Zelte inmitten der Wüste.
Da und dort heulen hungrige Schakale durch den Sandsturm. Die gebückte Gestalt eines greisen Arabers tappt zwischen den Zelten umher, an der Hand seine kleine Enkeltochter. Das Kind weint. Kurz vor der Kamera bleibt das bejammernswerte Paar stehen. Eine lähmende Minute lang sieht man nichts als den stummen, unendlich traurigen Blick der beiden Augenpaare.
Schnitt.
Ein Sommerhaus in Herzliah, Israel. Auf dem gepflegten Rasen des luxuriösen Gartens spielen wohlgenährte, gutgekleidete jüdische Kinder. Ihr Lachen klingt durch das ganze Villenviertel… Zwar könnten Sie auch die Kinder eines Grenz-Kibbuz zeigen, die jede Nacht im Bunker schlafen müssen, weil der Kibbuz jede Nacht beschossen wird. Aber da ergäbe sich keine richtige Kontrastwirkung zum vorangegangenen Bild, weil auch die jüdischen Kinder traurige Augen haben.
Kontrastwirkungen gehören zu den wichtigsten Errungenschaften der Filmreportage. Sie ermöglichen es dem Kameramann, die Unterschiede zwischen zwei rivalisierenden Parteien herauszuarbeiten, ohne daß er selbst Stellung beziehen müßte. Wieder ein Beispiel:
Eine Beduinenkarawane zieht am Horizont dahin. Abgezehrte Kamele, kleine, halbverhungerte Esel. Über dem Ganzen liegt dumpfe, angstgeschwängerte Stille… Gleich darauf zeigen Sie das Stadion von Tel Aviv während der zweiten Halbzeit eines Fußballspiels. Schwitzende, brüllende Fanatiker, auch solche weiblichen Geschlechts. Nächster Kontrastschnitt: auf der einen Seite scharrt ein bis auf die Knochen abgemagerter arabischer Hund in den Abfallkübeln eines Flüchtlingslagers nach Nahrung, auf der andern Seite die Nahaufnahme einer gefleckten Dogge, die soeben auf der Hundeausstellung in Ramat-Gan preisgekrönt wurde; ihr Besitzer nimmt den Pokal entgegen.
An der Sachlichkeit dieser Gegenüberstellungen wird niemand zweifeln.
Die bekanntlich höchst fotogenen arabischen Kinder dürfen von Ihnen ebensowenig vernachlässigt werden, wie auf der andern Seite die gleichfalls höchst fotogenen israelischen Soldaten. Der Kameramann wird ohne Mühe einen Einstellungswinkel finden, der die
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