Nicht so stuermisch Hannah
zwar so schnell, dass sie nichts von dem mitbekommen, was um sie herum passiert."
Eine Weile schwiegen beide. Hannah wusste nicht, was zwischen ihr und Adam vorging. Sie berührten sich nicht. Sie sprachen nicht. Dennoch fühlte sie sich ihm umso näher. Dieser Mann, den sie kaum kannte, war auf einmal wichtig für sie geworden. Für ihr Leben. Warum das so war, konnte sie sich nicht erklären.
Plötzlich lächelte Adam, und Hannahs Herz begann wie wild zu klopfen. „Ich muss gestehen, dass ich Sie falsch eingeschätzt habe, Hannah."
Er stieg in seinen Wagen, startete den Motor und fuhr nach einem langen, eindringlichen Blick davon.
Hannah hatte vergessen, dass sie Hunger hatte. Sie schaute ihm nach, bis die Rücklichter zwischen den Bäumen verschwunden waren. Schließlich hörte sie nur noch die Geräusche der Nacht, das Zirpen der Grillen, das Quaken der Frösche. Wie angewurzelt verharrte sie auf der Stelle und blickte den schmalen staubigen Weg hinunter, der zur Hauptstraße führte.
Was war mit ihr geschehen? Wie war diese erregende Anzie hungskraft zu erklären, die sie jedes Mal spürte, sobald Adam in ihrer Nähe war? Sobald sie nur an ihn dachte?
Sie kannte die Antwort nicht.
Das Wochenende ging zu Ende. Hannah benutzte die Tage, um den Rest des Hauses von Grund auf zu reinigen. Sie wusch die Vorhänge, klopfte die Teppiche aus, schrubbte die Fußböden
und putzte die Fenster. Tammy half ihr bei der Arbeit. Nicht gerade bereitwillig und voller Freude, wie Hannah sich lächelnd erinnerte, aber ihre Schwester hatte ihr geholfen.
Am Sonntagabend sah sie in Gegenwart von Tammy die Kleidung ihres Vaters durch.
Gemeinsam packten sie die wenigen Hosen und Hemden, Gürtel und Schuhe zusammen und steckten sie in große Plastiktaschen, um sie zu einem Obdachlosenheim bringen zu können. Tammy verhielt sich sehr ruhig, aber nachdem es Hannah gelungen war, sie liebevoll zu beschwatzen, erzählte Tammy von dem Vater, mit dem sie ihr ganzes Leben zusammen gelebt hatte.
Tammy hatte nur Gutes von Bobby Ray zu berichten. Er war zärtlich und großzügig.
Zweifellos war ihr bewusst, dass ihr Daddy sie beschützte und liebte, ganz gleich, mit welcher Art von „Problemen" sie auf die Welt gekommen war.
Adam hatte Hannah zwar gesagt, dass Tammy über ihre Be hinderung Bescheid wusste, aber mit diesem Geständnis überraschte sie Hannah und wies sie zum ersten Mal auf die Herausforderungen hin, mit denen sie Tag für Tag zu kämpfen hatte.
Als Hannah sich nach Bobby Rays Arbeit erkundigte, antwortete Tammy ziemlich vage. Anscheinend war er mal hier, mal da beschäftigt. Schließlich nahm Hannah kein Blatt mehr vor den Mund und fragte, womit ihr Vater die Rechnungen für die anfallenden Kosten wie Elektrizität, Telefon, Gas zum Kochen und Heizen, bezahlt habe. Auf diese Frage ging Tammy sehr lebhaft ein.
„Oh, du brauchst dir deswegen keine Sorgen zu machen. Unsere Schecks vom Staat reichen für die Rechnungen aus."
„Schecks?", fragte Hannah nach. „Du bekommst Schecks?"
„Ich bekomme einen", hatte Tammy geantwortet. „Und Daddy bekommt einen." Sie zögerte. „Nun, er bekam immer einen", verbesserte sie sich dann traurig.
Hannah erfuhr auf diese Weise, dass für sie noch einiges mit den Behörden zu regeln war, die offensichtlich Unterstützung für ihre Schwester und ihren Vater zahlten.
Traurig musste Hannah eingestehen, dass ihre Mutter Recht hatte mit ihren Klagen über Bobby Ray: Er besäße wenig Ehr geiz, und Erfolg sei ihm nicht wichtig.
Dennoch hätte Hannah gern die Möglichkeit gehabt, ihn kennen zu lernen. Immerhin war er ihr Vater gewesen.
Inzwischen war es Montagnachmittag, und Hannah war bereits seit drei Stunden damit beschäftigt, bröckelige Farbstücke von der Hauswand zu kratzen. Die Arbeit tat ihrem Rücken nicht gut, musste aber gemacht werden, bevor sie dem Haus einen frischen weißen Anstrich geben konnte.
Hannah musste lachen, als sie an die kleine Meinungsverschiedenheit mit Tammy wegen der Farbauswahl dachte. Tammy wollte einen rosa Anstrich und beklagte sich bitter, weil sie vor dem Einkauf der Farbe nicht gefragt worden war. Hannah hatte sie jedoch beruhigt und ihr erklärt, dass Weiß eine viel bessere Farbe für ein Haus im viktorianischen Stil wie das ihre sei. Tammy hatte mürrisch zugestimmt. Selbstverständlich wusste Hannah, dass das Haus mit einem neutralen Anstrich für einen eventuellen Käufer attraktiver wurde.
Wie angekündigt ging Adam mit Tammy über das
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