Nicht so stuermisch Hannah
überhörte Hannah das kurze Zögern in der Stimme ihrer Schwester nicht.
Sie erinnerte sich an das, was Adam ihr über Tammys Bedürfnis nach Zustimmung gesagt hatte, und lächelte.
„Weißt du, ich glaube, das ist eine tolle Idee."
Tammy strahlte erneut. „Ich bin hungrig. Bist du auch hungrig, Hannah?"
Wieder wusste Hannah, was Tammy mit der Frage wollte. „Ja, das bin ich. Und ich hoffe, du wirst etwas Großartiges aus dem Gemüse zaubern."
„O ja. Ich werde es mit ein wenig Butter und Zitronensaft dünsten." Auf einmal blickte Tammy Hannah wie von Panik ergriffen an. „Oder soll ich lieber einen Gemüseauflauf machen?"
Hannah berührte sacht Tammys Arm. „Du machst es so, wie du es am liebsten magst", riet sie. „Wie immer du dich entscheidest, ich werde von allem begeistert sein."
„Bist du sicher?"
Hannah nickte. „Vollkommen. Jetzt gehe ich erst mal nach oben und nehme ein Bad, wie du es mir vorgeschlagen hast."
Tammy lächelte stolz und machte sich mit dem Gemüse im Spülbecken zu schaffen.
Tammy hatte Recht. Ein kühles Bad war genau das Richtige für Hannah. Erfrischt band sie den Gürtel ihres Morgenrocks zu und ging hinunter, um nachzusehen, ob das Essen bald fertig war. Sie war hungrig wie ein Wolf.
Adam saß am Küchentisch und schenkte ihr als Begrüßung nur ein zögerndes Lächeln
- ein zögerndes verführerisches Lächeln allerdings. Mit seinen kühlen blauen Augen sah er sie bewundernd von oben bis unten an.
Hannah spürte, wie ihr ganzer Körper augenblicklich reagierte. So lässig wie möglich kreuzte sie die Arme vor der Brust. Ihre Brustspitzen richteten sich auf, ihre Haut prickelte. Sie war froh, dass sie gebadet hatte und Adam sie nicht schmutzig antraf.
Obwohl sie kein Wort wechselten, hatte Hannah das Gefühl, sich in einem intimen kleinen Tete-a-tete mit Adam zu befinden. Unwillkürlich musste sie lächeln.
In plötzlicher Befangenheit schaute sie dann jedoch zu Tammy hinüber, die am Herd beschäftigt war. „Wann ist das Essen fertig?", fragte sie ihre Schwester. „Ich sterbe vor Hunger.
„Der Reis ist in fünf Minuten fertig." Tammy deutete auf den Tisch. „Adam ist gekommen", verkündete sie.
„Habe ich gesehen", entgegnete Hannah leise. „Hallo."
„Hallo", erwiderte Adam, als hätten sie sich nicht bereits schweigend begrüßt.
Hannahs Verlegenheit steigerte sich, als sie sich ihrer bloßen Beine und Füße bewusst wurde. In ihrem dünnen, seidenen Morgenmantel fühlte sie sich fast nackt.
„Habt ihr was?", fragte Tammy. „Ihr seid doch nicht böse aufeinander, oder?"
Die Bemerkung ihrer Schwester machte Hannah noch verle gener. Verwirrt lachte sie auf. „Selbstverständlich sind wir uns nicht böse. Wie kommst du denn darauf?"
„Ihr seid so komisch ruhig."
Wieder brachte Tammys feiner Spürsinn Hannah aus der Fassung. Flirtete sie tatsächlich mit Adam? Dabei kannte sie ihn doch erst seit knapp vierundzwanzig Stunden und versuchte ständig, sich einzureden, dass sie weder Zeit noch Neigung hatte, sich mit ihm einzulassen.
„Ich bin nur überrascht, dass er da ist", antwortete Hannah und überlegte, was sie sagen konnte, um das schweigende Hin und Her der Blicke zwischen ihr und Adam zu beenden. „Als ich ihm heute in der Stadt begegnete, sagte er, er sei zu beschäftigt, mir beim Streichen zu helfen. Er wollte seine Zeit nicht vergeuden, obwohl er mit dem Job Geld verdienen konnte."
Adam stand vom Tisch auf. „Erfolg und Geld sind nicht alles, Hannah. Manchmal gehen Menschen eben vor."
Er sprach so leise, dass Hannah sich zu ihm neigen musste, um zu verstehen, was er sagte. Er schien jedoch nicht verletzt oder zornig über ihre Bemerkung. Nur ein wenig traurig.
„Ich bin nur kurz vorbeigekommen", erklärte er, „um zu sehen, ob Tammy sicher zu Hause eingetroffen ist." Sein Blick ging zu Tammy. „Du solltest Hannah morgen früh ein wenig
bei der Hausarbeit helfen", verlangte er, „bevor du ... einen Besuch machst."
Tammy sah ihn einen Moment an, dann senkte sie den Kopf. „Okay, Adam. Das werde ich tun."
Irgendwie drängte sich Hannah jetzt der Gedanke auf, dass zwischen Adam und ihrer Schwester etwas vor sich ging, eine Art wortlose Kommunikation, in die sie selbst nicht einge weiht war. Aber wie auch immer, sie fühlte sich von Adams Vorwurf zu tief verletzt, um darüber nachzudenken.
„Manchmal gehen Menschen eben vor." Der sanfte Ton seiner Rüge machte die Kritik noch stärker.
Denkt Adam vielleicht, ich sei zu sehr
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