Nicht tot genug 14
ging man noch Streife, wurde vielleicht am nächsten Tag in den Innendienst versetzt und hatte es mit der Ausstellung von Haftbefehlen zu tun oder wurde auch bei Straßenschlachten eingesetzt. Dann wieder arbeitete man als ziviler Drogenfahnder und wechselte von dort aus zum Flughafen, wo man es mit Gepäckdiebstählen zu tun bekam. Andere hingegen fanden ihre Nische und schafften es, dreißig Jahre dort zu bleiben, bis sie mit einer anständigen Pension in den Ruhestand geschickt wurden.
Detective Sergeant Jane Paxton gehörte zu denjenigen, die ihre Nische gefunden hatten und dort geblieben waren. Sie war eine große, unscheinbare Frau von vierzig mit einer sachlichen, burschikosen Haltung und für die Koordinierung der Vernehmungen zuständig.
Vor einigen Jahren war sie zur Heldin aller weiblichen Mitarbeiter von Sussex House avanciert, weil sie Norman Potting eine Ohrfeige versetzt hatte. Je nachdem, mit wem man darüber sprach, hörte man die unterschiedlichsten Versionen der Ereignisse. Grace hatte gehört, Potting habe ihr während einer Besprechung mit dem ehemaligen Chief Constable unter dem Tisch ans Bein gegriffen.
DS Paxton saß mit Grace am runden Tisch in seinem Büro, sie wurde flankiert von Nick Nicholas und Glenn Branson. Paxton trank Wasser, die Männer Kaffee. Es war halb neun am Montagabend und alle vier wussten, dass sie nur mit sehr viel Glück die Kripozentrale vor Mitternacht verlassen würden.
Während Brian Bishop allein in seiner Zelle hockte und auf seinen Anwalt wartete, legte das Team die Strategie für das Verhör fest. Branson und Nicholas, die beide speziell in Verhörtechniken geschult waren, würden die Vernehmungen durchführen, während Roy Grace und Jane Paxton vom Nachbarraum aus zuschauen und mithören würden.
Das übliche Verfahren bestand darin, den Verdächtigen innerhalb der ersten vierundzwanzig Stunden drei genau geplanten Vernehmungen zu unterziehen. Die erste würde an diesem Abend nach Eintreffen des Anwalts stattfinden und dazu dienen, noch einmal Bishops Version der Ereignisse zu hören. Man würde ihn ermutigen, seine Geschichte zu belegen, über seine Familienverhältnisse zu sprechen und seine Bewegungen in den vierundzwanzig Stunden, die dem Tod seiner Frau vorausgingen, genau zu beschreiben.
In der zweiten Vernehmung, die am folgenden Morgen stattfinden sollte, würde man Bishop präzise Fragen zu seinen Aussagen stellen. Der Tonfall wäre höflich und konstruktiv, während sich die Beamten Notizen zu möglichen Ungereimtheiten machten. Erst bei der dritten Vernehmung würde man mit härteren Bandagen vorgehen. Bei dieser Gelegenheit würden die Beamten mögliche Ungereimtheiten ansprechen und versuchen, Lügen aufzudecken.
Im Idealfall hätte man nach der dritten Vernehmung zusammen mit den bereits vorliegenden Beweismitteln – in diesem Fall der DNA- Analyse – genügend Belastungsmaterial, um eine Strafverfolgung zu rechtfertigen und den Verdächtigen offiziell zu beschuldigen.
Der Schlüssel zu jeder erfolgreichen Vernehmung lag in den Fragen. Alle vier waren der Ansicht, dass man die Sichtung von Bishops Bentley für die dritte Vernehmung aufsparen sollte.
Sie diskutierten eine Weile darüber, wann das Thema Lebensversicherung angeschnitten werden sollte. Grace wies daraufhin, dass man Bishop bereits dazu befragt habe und er jegliches Wissen abgestritten habe. Daher solle man es gleich bei der ersten Vernehmung noch einmal ansprechen, um zu sehen, ob er seine Aussage revidieren würde.
Außerdem wurde vereinbart, bei der zweiten Vernehmung die Gasmaske einzubeziehen, und zwar, wie Jane Paxton vorschlug, im Rahmen einer Reihe spezifischer Fragen zu seinem Sexualleben. Die anderen waren einverstanden.
Grace bat Branson und Nicholas um einen detaillierten Bericht über die Festnahme und Bishops Verhalten dabei.
»Er ist ein kalter Fisch«, sagte Branson. »Ich kann noch immer nicht fassen, wie er sich benommen hat, als Nick und ich ihm die Nachricht vom Tod seiner Frau überbracht haben.« Er schaute seinen Kollegen an, der zustimmend nickte. »Na gut, er wirkte bestürzt, aber wisst ihr, was er danach gesagt hat? ›Das ist gerade sehr ungünstig, ich bin mitten in einem Golfturnier. Hat es nicht Zeit, bis wir damit fertig sind?‹ Ist das zu fassen?«
»Also, ich würde es genau andersherum interpretieren«, sagte Grace.
Alle schauten ihn interessiert an.
»Wie meinst du das?«
»Meines Erachtens ist Bishop zu clever für eine so herzlose
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