Nicht tot genug 14
und rief Kim Murphy an.
»Kim, Sie haben doch jemanden zu Bishops Finanzberater geschickt. Ich brauche dringend Taylors Nummer. Können Sie mir die besorgen, oder noch besser, ihn anrufen und zu mir durchstellen?«
Während er wartete, besprachen sie die Konsequenzen, die die neuen Beweise für den Fall hatten. Roy blieb weiterhin skeptisch.
»Aber was ist mit den DNA-Beweisen von Sophie Harringtons Leiche? Die sind doch ziemlich eindeutig«, sagte Nick Nicholas.
Roy wurde allmählich ungeduldig, bezwang sich aber. »Verstehen Sie das denn nicht, Nick? Wenn Bishops Alibi standhält, werden uns die DNA-Beweise überhaupt nichts nützen. Die Verteidigung wird anführen, dass sie manipuliert sind. Wenn wir die Morde vorschnell miteinander verbinden, könnte man die DNA-Beweise aus dem Fall Katie Bishop aus den gleichen Gründen verwerfen.«
Grace wusste aus bitterer Erfahrung, wie schwammig, unberechenbar und ungerecht die Justiz zuweilen war. Vor Gericht konnte vieles schief gehen. Die Geschworenen, oft Menschen, die sich in dieser Umgebung verunsichert fühlten, wurden manipuliert, überredet, verwirrt und verführt; oft brachten sie Vorurteile mit oder waren schlicht und einfach dumm. Manche Richter hatten ihr Verfallsdatum deutlich überschritten, während andere von fremden Planeten zu stammen schienen. Ein wasserdichter Fall reichte nicht aus; zu einer Verurteilung gehörte stets auch eine Portion Glück.
»Wir haben immer noch die Zeugin, die Bishop vor ihrem Haus gesehen hat«, versicherte Jane Paxton.
»Ach ja?« Er fühlte sich zunehmend genervt. Ob es an der Hitze lag? Oder weil er so hundemüde war? An seinem unerwünschten Mitbewohner? Oder dass Sandy ihm im Kopf herumspukte?
»Na ja, ich finde den Beweis ziemlich stark«, meinte Paxton ein wenig defensiv.
»Dennoch müssen wir mit der Zeugin eine offizielle Gegenüberstellung durchführen und den zeitlichen Rahmen doppelt und dreifach überprüfen, bevor wir die Sache so akzeptieren. Außerdem könnten in den nächsten Tagen weitere Beweise ans Licht kommen. Wenn wir Bishop hier behalten, nimmt das vorübergehend auch den Druck vom Fall Harrington. Damit könnten wir der Presse immerhin einen Knochen hinwerfen.«
Kim rief an, um Phil Taylor durchzustellen. Grace nahm den Anruf an seinem Schreibtisch entgegen.
Als er fertig war, sagte er: »Er hat sich bereit erklärt, sich heute Abend mit mir in London zu treffen. Scheint ein ganz vernünftiger Typ zu sein.« Er schaute Branson an. »Wir beantragen die zwölfstündige Verlängerung und fahren gleich nach der Besprechung nach London. Ich möchte dich gern dabei haben.«
Als Nächstes rief er Norman Potting an und bat ihn, sich um die Verlängerung zu kümmern. »Gut, wir sehen uns dann um halb sieben im Konferenzzimmer. Vielen Dank.«
Als die drei gegangen waren, setzte er sich an den Schreibtisch. Ihm stand eine Aufgabe bevor, die auch nicht weniger schwierig war als die laufenden Ermittlungen, wenn auch auf völlig andere Weise. Wie sollte er Cleo bloß erklären, dass er an diesem Abend nach London fahren musste und unmöglich vor Mitternacht zurück sein würde?
Zu seiner Überraschung nahm sie die Nachricht ziemlich gelassen auf, vielleicht, weil sie wusste, dass man als Polizist oft rund um die Uhr im Einsatz war.
»Super, ich stehe auch nur mit einem Haufen frischer Garnelen und Muscheln an der Kasse im Supermarkt. Die muss ich wohl alle selber essen.«
»Scheiße, das tut mir furchtbar leid.«
»Schon gut, die Morde sind wichtiger als ein paar blöde Garnelen. Aber du solltest dich auf dem Rückweg lieber beeilen!«
»Vermutlich habe ich dann schon gegessen. Ich besorge mir etwas für unterwegs.«
»Ich rede ja auch nicht vom Essen!«
Er küsste sie durchs Telefon.
»Zehnmal zurück!«
Er hängte lächelnd ein. Zum Glück schien Cleo im Augenblick nicht mehr an München zu denken. Und er?
Das hing, wie er nur zu gut wusste, davon ab, ob Marcel Kullens Erkundigungen irgendwelche Spuren erbrachten. Und zum ersten Mal hoffte er fast, dass es keine geben würde.
97
DA ES IMMER SCHWER WAR , einen Parkplatz auf der Straße vor dem Haus zu finden, fuhr Cleo weiter und hielt Ausschau nach einer Lücke. Der Zeitmilliardär folgte ihr in sicherer Entfernung und sah, wie der blaue MG nach rechts abbog. Er lächelte.
Und schickte ein kleines Dankgebet zum Himmel.
Diese Straße war ja noch viel besser! Hohe, fensterlose Mauern auf der rechten Seite, eine Steilklippe aus rotem
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