Nicht tot genug 14
Schweigen.
Grace klemmte sich das Telefon ans Ohr und beugte sich vor. »Wodurch dann?«
»Jemand hat sich an dem Fahrzeug zu schaffen gemacht. Vorsätzliche Sabotage, daran besteht kein Zweifel. Man hat eine zusätzliche Düse für die Kraftstoffeinspritzung eingebaut, die das Benzin unmittelbar in den Fußraum vor dem Fahrersitz sprühte, sobald jemand die Zündung betätigte. Der Anlasser war so präpariert, dass Funken in den Fußraum fielen. Außerdem sieht es für mich so aus, obwohl es aufgrund der geschmolzenen Kabel schwer nachzuweisen ist, als hätte man auch die Leitungen für die Zentralverriegelung sabotiert, sodass sich die Türen nicht mehr öffnen ließen.«
Grace spürte, wie es ihn kalt überlief.
»Da war ein sehr cleverer Bursche am Werk, der genau wusste, was er tat. Es ging nicht darum, den Wagen zu beschädigen. Meiner Ansicht nach sollte der Fahrer getötet werden.«
*
Grace saß auf einem der großen roten Sofas im Wohnzimmer. Cleo hatte sich an ihn gekuschelt; auf dem Tisch stand noch das verlassene Goldfischglas. Er hatte einen Arm um sie gelegt und hielt in der anderen Hand ein großes Glas Glenfiddich mit Eis. Cleos Haar duftete frisch gewaschen. Sie fühlte sich warm an, lebendig, wunderbar lebendig. Und sehr verletzlich.
Er hatte schreckliche Angst um sie.
Sie hörten Bizets Perlenfischer, eine erlesene Musik, aber zu quälend und traurig für diesen Moment. Ihm wäre Stille oder etwas Fröhliches lieber gewesen, denn es hätte ihn von seiner Ratlosigkeit abgelenkt. Er wusste gar nichts mehr, bis auf eins: Er liebte dieses wunderschöne, warme, witzige Wesen in seinem Arm. Er liebte Cleo von ganzem Herzen, mehr als er sich nach Sandys Verlust jemals hätte vorstellen können. Und er wusste, dass er sich von Sandy lösen musste. Er wollte nicht, dass ihr Schatten diese neue Beziehung zerstörte.
Zudem musste er die ganze Zeit daran denken, was geschehen wäre, wenn nicht der armselige kleine Autoknacker, der noch immer in der Klinik um sein Leben kämpfte, ihren Wagen hätte stehlen wollen.
Wenn die Polizei ihn nicht beobachtet hätte. Wenn niemand dort gewesen wäre, um ihr zu helfen.
Der Gedanke war unerträglich. Irgendein Wahnsinniger hatte vorgehabt, Cleo zu töten, und allergrößte Mühe darauf verwandt.
Aber wer?
Und warum?
Würde es dieser Jemand noch einmal versuchen?
Grace musste an den vergangenen Sonntag denken, als man das Verdeck des Wagens aufgeschlitzt hatte. War das wirklich nur ein Zufall gewesen?
Morgen würde sich ein Ermittler mit Cleo zusammensetzen und überlegen, ob sie sich bei der Arbeit Feinde gemacht hatte. Viele Angehörige von Opfern waren wütend und verzweifelt, wenn man ihre Liebsten sezierte, und sie ließen ihren Zorn nur zu oft an Cleo aus, obwohl sie gar nicht für die Entscheidung verantwortlich war.
Zuerst hatte sie ungläubig auf die Nachricht reagiert, inzwischen aber das volle Ausmaß begriffen. Sie war völlig entsetzt.
»Was ich dabei nicht verstehe –« Sie hielt mitten im Satz inne, als wäre ihr eine Idee gekommen. »Wenn jemand meinen Wagen in die Luft jagen wollte, warum hat er es nicht wie einen Unfall aussehen lassen? Ihm musste doch klar sein, dass die Spurensicherung alles auseinander nimmt. Mir kommt die ganze Sache so offensichtlich vor.«
»Da hast du recht. Wer immer es war, hat sich nicht die Mühe gemacht, es als Unfall zu tarnen. Allerdings bezweifle ich auch, dass das so leicht gewesen wäre. Ich bin zwar kein Fachmann, aber es dürfte schon sehr viel aufwändiger gewesen sein, als nur ein paar Drähte miteinander zu verbinden.« Es war sadistisch, geradezu teuflisch, doch das erwähnte er nicht. Er hatte Cleo auch noch nicht gesagt, dass der ganze Vorfall als Kapitaldelikt behandelt wurde. Man hatte die Ermittlungen bereits einem leitenden Beamten übertragen und ein Team zusammengestellt.
Cleo schaute ihn mit großen, besorgten Augen an. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wer das getan haben soll, Roy.«
»Was ist mit deinem Ex-Freund?«
»Richard? Sie schüttelte den Kopf. »Nein, so weit würde er nicht gehen.«
»Immerhin hat er dich monatelang verfolgt, bis du ihm mit einer einstweiligen Verfügung gedroht hast. Du hast selbst gesagt, erst da habe er den Schwanz eingekniffen. Manche Stalker geben nie auf.«
»Ich glaube einfach nicht, dass er das war.«
»Hast du nicht mal erwähnt, dass er Autorennen fährt?«
»Früher schon, aber jetzt gehören seine Wochenenden nur noch
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