Nicht tot genug 14
Skunk ganz schön aus der Puste. Früher einmal, als er sein Geld noch als Ladendieb und Handtaschenräuber verdient hatte, war er ein guter Läufer gewesen. Inzwischen konnte er nur noch körperliche Leistung bringen, wenn er sich gerade einen Schuss gesetzt oder ein Aufputschmittel genommen hatte. Niemand beachtete ihn – niemand, bis auf die beiden Polizisten in Zivil, die in einem gut besuchten Starbucks saßen und das Treiben auf der Straße beobachteten.
Beide hätten als Studenten durchgehen können, die sich an einer einzigen Tasse Kaffee festhielten. Der Kleinere wirkte bullig, rasierter Kopf, Ziegenbärtchen, schwarzes T-Shirt und zerfranste Jeans; der andere hatte langes Haar und trug ein schlabberiges T-Shirt über einer Armyhose. Die beiden kannten die Unterwelt von Brighton wie ihre Westentasche, und Skunks Visage hing, solange sie denken konnten, in der Galerie der Stammkunden im Polizeipräsidium.
Für die meisten Bewohner von Brighton and Hove war Skunk jedoch unsichtbar. Er kleidete sich noch immer wie ein Teenager, Kapuzenjacke aus Nylon über einem verschlissenen orangefarbenen T-Shirt, dazu Jogginghose und Turnschuhe. Vornüber gebeugt, die Hände in den Taschen, schlurfte er umher und verschmolz mit seiner Umgebung wie ein Chamäleon. Es war die Uniform seiner Gang, mit der er früher gestohlen und Leute verprügelt hatte, für die er mittlerweile aber zu alt geworden war. Doch die Kleidung hatte er behalten, weil sie ihm das Gefühl vermittelte, irgendwo dazuzugehören.
Skunk hatte den Kopf rasiert – darum kümmerte sich Bethany – und trug einen schmalen, ungleichmäßigen Streifen Bart, der von seiner Unterlippe bis zum Kinn verlief. Genau das gefiel Bethany, angeblich sah er damit geheimnisvoll aus, vor allem, wenn er die Sonnenbrille mit den purpurroten Gläsern trug.
Andererseits schaute er auch gar nicht so oft in den Spiegel. Früher hatte er sich stundenlang angestarrt, um sich davon zu überzeugen, dass er nicht hässlich war, jedenfalls nicht so hässlich, wie seine Mutter und sein Bruder es ihm hatten einreden wollen. Jetzt war es ihm sowieso egal. Er hatte Erfolg bei Mädchen gehabt. Aber nun machte sein Gesicht ihm manchmal Angst, die Haut war trocken, voller Pickel, und er wirkte ausgemergelt.
Sein Körper verfaulte – man musste kein Nobelpreisträger sein, um das zu erkennen. Das kam aber nicht von den Drogen selbst, sondern von den Verunreinigungen im Stoff, die machten einen kaputt. Oft fühlte er sich, als habe er Grippe, lief ständig wie im Nebel herum, litt unter Hitzewellen und Kälteschauern. Sein Gedächtnis war schlecht; auch konnte er sich nicht lange genug konzentrieren, um einen Film bis zum Ende anzuschauen. Sein Körper war mit Geschwüren übersät. Er konnte kaum Essen bei sich behalten. Hatte sein Zeitgefühl verloren. Manchmal wusste er nicht einmal mehr, wie alt er war.
Ungefähr vierundzwanzig. Er hatte seinen Bruder fragen wollen, als er ihn gestern Abend in Australien angerufen hatte, aber das war ja in die Hose gegangen.
Sein Bruder war drei Jahre älter und einen Kopf größer und hatte ihm den Spitznamen Skunk verpasst. Gar nicht schlecht. Skunks waren gemeine, wilde Kreaturen, schlichen verstohlen umher und wussten sich zu verteidigen. Mit einem Skunk legte sich niemand an.
Als Teenager hatte er entdeckt, dass er ein Talent fürs Autoklauen besaß. Und als sich herumsprach, dass er jeden gewünschten Wagen besorgen konnte, hatte er auf einmal auch Freunde. Er war zweimal verhaftet worden. Das erste Mal erhielt er eine Bewährungsstrafe und Fahrverbot, obwohl er noch zu jung für den Führerschein war, doch beim zweiten Mal hatte man ihn zu einem Jahr Jugendstrafe verurteilt, weil ein tätlicher Angriff hinzugekommen war.
An diesem Nachmittag steckte ein gefaltetes Blatt mit einem neuen Auftrag in seiner Tasche. Ein Audi A4 Cabrio, neues Modell, Automatik, wenig gelaufen, blau-, silber- oder schwarz-metallic.
Er blieb stehen, um Luft zu holen, und schon überrollte ihn eine dunkle, unbestimmte Angst, die die ganze Wärme des Sommernachmittags verschlang. Er kam sich vor wie in einem Eisschrank. Seine Haut kribbelte wieder, als wimmelte eine Million Termiten über seinen Körper.
Da, die Telefonzelle. Die brauchte er. Er brauchte den Schuss, um sich konzentrieren zu können, sein Gleichgewicht wiederzuerlangen. Keuchend zog er die schwere Tür auf. Scheiße. Er lehnte sich gegen die Wand, ihm wurde schwindlig in der stickigen Luft, die
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