Nicht tot genug 14
komisch, kapiert? Ich stelle dir eine einfache Frage. Kannst du dir vorstellen, dass ich durchgefallen bin, weil ich zu langsam war?«
»Nie und nimmer.« Was auch der Wahrheit entsprach. Grace erinnerte sich nur zu gut, wie sein Freund für den Geschwindigkeitstest geübt hatte. Grace war mit heilen Knochen aus dem Wagen gestiegen – was er jedoch eher auf Glück als auf Glenns Fahrkünste zurückführte –, und hatte beschlossen, sich lieber ohne Narkose die Gallenblase entfernen zu lassen als noch einmal zu Glenn Branson ins Auto zu steigen.
»Ganz ehrlich, Mann.«
»Gut zu wissen, dass es noch vernünftige Menschen auf dieser Welt gibt.«
»Weißt du, worin dein Problem besteht, Detective Superintendent Roy Grace?«
»Welches meiner vielen Probleme meinst du jetzt?«
»Das Problem, das du mit meinem Fahrstil hast.«
»Und, worin besteht es?«
»In fehlendem Vertrauen.«
»In dich oder in Gott?«
»Gott hat verhindert, dass mich die Kugel ernsthaft verletzt hat.«
»Glaubst du das wirklich?«
»Hast du vielleicht eine bessere Idee?«
Grace dachte nach. Er zog es vor, nur dann an Gott zu denken, wenn es ihm passte. Er war kein Atheist, im Grunde nicht einmal ein Agnostiker. Er glaubte durchaus an etwas – wollte jedenfalls an etwas glauben konnte es aber nicht genau definieren. Er wollte die allgemein verbreitete Vorstellung von Gott nicht akzeptieren, hatte aber ein schlechtes Gewissen dabei. Doch seit Sandy verschwunden und keines seiner Gebete erhört worden war, war nicht viel von seinem Glauben übrig geblieben.
Als Polizist war es vor allem seine Aufgabe, die Wahrheit herauszufinden. Die Fakten. Sein Glaube ging nur ihn etwas an. Er schaute durch das Fenster zu Brian Bishop, der von seiner Trauer vollkommen überwältigt schien.
Oder ein ausgezeichneter Schauspieler war.
Grace würde es bald erfahren.
Doch im Augenblick konnte er eigentlich nur an Sandy denken.
24
SKUNK WAR VERSUCHT , mit dem gestohlenen Handy seinen Dealer anzurufen, weil seine eigene Karte leer war, wollte aber nicht dessen Zorn riskieren. Oder, was noch schlimmer gewesen wäre, von der Kundenliste gestrichen werden. Der Mann wäre vermutlich nicht begeistert, wenn seine Nummer auf der Anrufliste eines geklauten Handys erschien.
Also betrat er eine Telefonzelle und schloss die Tür hinter sich. Es war heiß wie in einem Backofen, draußen rauschte der Freitagnachmittagsverkehr vorbei. Er klemmte einen Fuß in die Tür, damit wenigstens ein bisschen Luft hereindrang, und wählte die Nummer. Es klingelte zweimal, dann meldete sich eine knappe Männerstimme. »Ja?«
»Wayne Rooney.« Das Kennwort hatten sie beim letzten Mal vereinbart.
Der Mann sprach mit einem Ostlondoner Akzent. »Alles klar, das Übliche? Brown Sugar? Zehn oder zwanzig Pfund?« »Zwanzig.« »Wie zahlst du? Bar?«
»Ein Motorola Razor. T-Mobile.«
»Mit denen kann ich die Wände tapezieren. Da sind nur zehn Mäuse drin.«
»Scheiße, Mann, ich brauche dreißig.«
»Dann kann ich dir nicht helfen, Kumpel. Sorry. Bis dann.«
Skunk geriet in Panik. »Hey, nein, nein, nicht einhängen.«
Kurze Stille. Dann wieder die Männerstimme. »Hab zu tun. Der Preis steigt, es gibt Lieferschwierigkeiten. Die nächsten zwei Wochen wird’s eng.«
»Ich nehme auch zwanzig.«
»Zehn, mehr ist nicht drin.«
Sicher, es gab noch andere Dealer, aber der letzte, den er ausprobiert hatte, war hochgenommen worden und saß irgendwo ein. Ein weiterer hatte ihm schlechten Stoff verkauft. Woanders bekäme er vielleicht einen besseren Preis für das Handy, aber er war ziemlich fertig, brauchte dringend Stoff, um wieder klar denken zu können. Heute stand nämlich ein Job an, mit dem er viel mehr verdienen würde als mit dem blöden Handy.
»In Ordnung, wo treffen wir uns?«
Der Dealer, den er nur als Joe kannte, gab ihm die Anweisungen.
Skunk verließ die Telefonzelle und lief durch die Stadt, vorbei an einem Pub, in dem er abends manchmal Ecstasy auf dem Männerklo kaufte.
Schließlich gelangte er ins Viertel North Laine mit seinen schmalen Straßen, in denen sich Antiquitätengeschäfte drängten. Auf den Gehwegen standen reihenweise viktorianische Kamine aus Marmor oder Ständer mit alter Kleidung. Die Reihenhäuschen waren im 19. Jahrhundert für Bahnarbeiter errichtet und in neuerer Zeit zu schicken Stadthäusern umgebaut worden; eine alte Fabrik mit sandgestrahlter Fassade beherbergte heute elegante Lofts.
Nachdem er ein Stück bergauf gegangen war, kam
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