Nicht tot genug 14
trank einen Schluck Cola light.
Am Sonntag um sieben ging ein Flug von British Airways nach München, Landung um zehn vor zehn. Er beschloss, Kriminalhauptkommissar Marcel Kullen anzurufen, den er schon länger kannte.
Marcel war vor einigen Jahren im Rahmen eines sechsmonatigen Austauschprogramms in Sussex gewesen, und sie hatten sich angefreundet. Der Beamte hatte ihn wiederholt eingeladen, ihn und seine Familie in Deutschland zu besuchen. Eigentlich war es schon zu spät, um dort anzurufen, andererseits hatte er aber die Chance, Marcel zu Hause zu erwischen.
Er wollte gerade zum Telefon greifen, als es klingelte.
Am Apparat war Brian Bishop.
42
GRACE FIEL AUF , dass Bishop sich inzwischen umgezogen hatte. Er sah allerdings eher aus wie ein Playboy, der sich einen netten Abend machen will, als wie ein trauernder Witwer.
Er setzte sich in den roten Sessel im Vernehmungsraum und sagte, als habe er die Gedanken des Ermittlers gelesen: »Ihre Beamtin hat meine Kleidung ausgesucht. Ich hätte unter diesen Umständen etwas anderes gewählt. Können Sie mir bitte sagen, wann ich wieder nach Hause darf?«
»So bald wie möglich, Mr. Bishop. Ich hoffe, in wenigen Tagen.«
Bishop richtete sich kerzengerade auf und fragte wütend: »Wie bitte? Das ist doch lächerlich!«
Branson kam mit drei Bechern Wasser, stellte sie auf den Tisch und blieb an der Tür stehen.
»Ihr Haus ist ein Tatort, Mr. Bishop«, sagte Grace sanft. »Es ist die übliche Praxis, einen Tatort so wenig wie möglich zu verändern. Ich hoffe, Sie verstehen, dass dies nur dazu dient, den Täter möglichst schnell zu fassen.«
»Haben Sie schon einen Verdächtigen?«, erkundigte sich Bishop.
»Bevor ich dazu komme, möchte ich um Ihre Erlaubnis bitten, dieses Gespräch aufzuzeichnen. Das macht es einfacher für uns, den Bericht zu verfassen.«
»Heißt das, Sie verdächtigen mich?«, wollte Bishop wissen.
»Ganz und gar nicht.«
Bishop gab mit einer Geste sein Einverständnis.
Glenn Branson schaltete die Aufnahmegeräte ein und setzte sich mit den Worten: »Freitag, 4. August, 22.20 Uhr. Detective Superintendent Grace und Detective Sergeant Branson vernehmen Mr. Brian Bishop.«
»Haben Sie denn schon einen Verdächtigen?«, fragte Bishop.
»Noch nicht«, entgegnete Grace. »Können Sie sich vorstellen, wer das getan hat?«
Bishop lachte kurz auf, als halte er die Frage für vollkommen albern. Seine Augen schossen nach links. »Nein, das kann ich nicht.«
Links stand für Wahrheit. Allerdings hatte Bishop für einen Mann, der soeben seine Frau verloren hatte, ein wenig zu schnell und zu sorglos geantwortet. Er hatte dieses Verhalten schon öfter erlebt: Antworten, die wie einstudiert wirkten; mangelnde Gefühlsregungen. Bishop zeigte die klassischen Anzeichen eines Täters. Was aber noch lange nicht hieß, dass er tatsächlich einen Mord begangen hatte. Sein Lachen konnte auch pure Nervosität sein.
Grace entdeckte einen auffälligen Kratzer an der rechten Hand des Mannes. Gleich neben dem Daumen war die Haut abgeschürft, die Verletzung sah frisch aus. »Sie haben sich die Hand verletzt.«
Bishop zuckte gleichgültig die Achseln. »Ich – das ist passiert, als ich in ein Taxi gestiegen bin.«
»Das Taxi, mit dem Sie vom Hotel du Vin zum Lansdowne Place Hotel gefahren sind?«
»Ja, genau, ich habe eine Tasche in den Kofferraum gepackt.«
Grace nahm sich vor, den Taxifahrer danach zu fragen. Ihm war auch aufgefallen, dass Bishops Augen nach rechts wanderten. Demnach log er.
»Sieht gar nicht gut aus. Was hat der Fahrer denn dazu gesagt?« Grace warf einen Blick zu Branson, der nickte.
»Hat er Ihnen ein Pflaster gegeben?«, ergänzte Branson.
Bishop schaute die Beamten nacheinander an. »Was soll das werden? Das ist ja wie bei der Inquisition. Ich will Ihnen doch nur helfen. Was hat denn der verdammte Kratzer an meiner Hand damit zu tun?«
»Mr. Bishop, bei unserer Arbeit müssen wir eine Menge Fragen stellen, das lässt sich leider nicht vermeiden. Ich habe einen langen Tag hinter mir, genau wie mein Kollege, und auch Sie dürften ziemlich erschöpft sein. Bitte beantworten Sie einfach nur unsere Fragen, dann können wir alle Schluss machen. Und je mehr Sie uns helfen, desto schneller werden wir den Mörder Ihrer Frau fassen.« Grace trank einen Schluck Wasser. »Uns würde interessieren, weshalb Sie das Hotel gewechselt haben.«
Bishop, der die Augen auf den Teppich geheftet hatte, schaute verwundert hoch. »Was soll das
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