Nicht tot genug 14
Grace sanft.
Sein Freund reagierte nicht.
»Ich habe keine Ahnung, wie viel es kostet, ein Pferd zu kaufen oder zu unterhalten, aber du bekommst Schmerzensgeld für deine Verletzung – und zwar eine ganze Menge. Mehr als genug, um ein Pferd zu kaufen, würde ich sagen.«
Die junge Bedienung, die Grace Feuer gegeben hatte, stand plötzlich neben ihnen. »Möchten Sie noch etwas? Wir schließen gleich.«
Grace lächelte sie an. »Danke, wir sind fertig.«
»Weißt du, was das Ironische dabei ist? Ich habe es dir doch erzählt. Ich bin zur Polizei gegangen, damit meine Kinder stolz auf mich sind. Und jetzt darf ich ihnen nicht mal mehr gute Nacht sagen.«
Grace trank von seinem Whiskey und nahm einen Zug von der Zigarette. Sie schmeckte gut, aber nicht mehr so gut wie vorhin. »Kumpel, du kennst doch die Gesetze. Sie kann dich nicht von deinen Kindern fernhalten.«
Er schaute zur Theke hinüber, betrachtete die umgedrehten Flaschen und den Spiegel dahinter, die leeren Barhocker und die verlassenen Tische. Es war ein langer Tag gewesen. Kaum zu glauben, dass er an einem See in München zu Mittag gegessen hatte.
»Ich habe dich nicht mal gefragt, wies gelaufen ist«, sagte Glenn unvermittelt.
»Nichts«, erwiderte er. »Es war nichts.«
»Mach es bloß nicht so wie ich, Roy. Mach es nicht kaputt. Die Sache mit Cleo tut dir gut. Du musst ihr zeigen, was sie dir wert ist. Sie ist eine ganz tolle Frau.«
*
Als er um kurz nach halb zwölf zum schmiedeeisernen Tor vor ihrem Haus kam, war Cleo ganz schön blau.
»Du musst mir helfen. Mann, bin ich fertig«, sagte sie durch die Sprechanlage.
Das elektronische Schloss sprang mit einem Klick auf, der wie ein Schuss klang. Grace ging hinein, und als er sich der Haustür näherte, öffnete sie sich wie von Geisterhand. Dort stand Cleo, neben sich etwas, das an den umgedrehten Panzer einer blauen Riesenkrabbe erinnerte.
Sie hielt ihm die Wange hin, als er sie auf die Lippen küssen wollte, und zeigte damit trotz ihrer Trunkenheit, dass sie noch immer wütend auf ihn war. »Das Hardtop für meinen MG. Irgendein Arsch hat das Stoffdach aufgeschlitzt. Kannst du mir helfen, es zu befestigen?«
Das Ding war schwer wie Blei. »Alles klar?«, erkundigte er sich keuchend, als sie mit dem Verdeck auf die Straße wankten. Ihr distanziertes Verhalten war enttäuschend.
»Wiegt jedenfalls weniger als eine Leiche!«, sagte sie munter und fiel beinahe der Länge nach hin.
Sie schleppten das Verdeck bis zu ihrem Wagen und setzten es daneben ab. Grace betrachtete den sauberen Schlitz im Stoff.
»Wann ist das passiert?«
»Heute Nachmittag vor dem Leichenschauhaus. Hat gar keinen Sinn, es reparieren zu lassen. Das ist sicher nicht das letzte Mal.«
Mit unsicherer Hand fummelte sie am Schloss herum, stieg ein und fuhr das Stoffdach hinunter. Schwitzend und fluchend gelang es ihnen, das Hardtop zu befestigen.
Sie konzentrierten sich so sehr auf ihre schwierige Aufgabe, dass keiner von beiden die Gestalt bemerkte, die ganz in der Nähe im Schatten stand und sie mit einem zufriedenen Lächeln beobachtete.
69
FÜR ROY GRACE begann der Montagmorgen um halb acht mit einer Lagebesprechung in seinem Büro. Dort fanden sich Kim Murphy, Brendan Duigan, Joe Tindall und Glenn Branson ein. Letzteren überschüttete Grace förmlich mit Arbeit, um ihn von seinen häuslichen Problemen abzulenken. Seine Managementassistentin Eleanor war auch dabei.
Kurz vor acht holte sich Grace den zweiten Kaffee. In seinem Büro lud er die drei Fotos der blonden Frau, die er am Vortag mit seinem Handy aufgenommen hatte, in den Computer und schrieb eine E- Mail an Dick Pope, der aus dem Urlaub zurück war.
Dick, ist das die Frau, die du und Lesley letzte Woche im Englischen Garten gesehen habt? Roy
Dann schaute er sich die Fotos noch einmal an. Eine Aufnahme von vorn und zwei im Profil. Ziemlich gut zu erkennen. Er schickte sie als Anhang mit.
Anschließend schrieb er an Marcel Kullen und hängte auch diesmal die Fotos an. Er hatte sie ihm zwar schon an Ort und Stelle auf dem winzigen Display des Handys gezeigt, doch auf dem Bildschirm wäre sie sehr viel besser zu erkennen.
Danach überprüfte er die Meldungen der vergangenen Nacht. Die Nächte von Sonntag auf Montag waren eher ruhig, keine auffälligen Vorkommnisse, nichts, das auf den ersten Blick mit den Morden an Katie Bishop und Sophie Harrington
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