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Nicht tot genug 14

Titel: Nicht tot genug 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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unrasiert, ungekämmt, mit einem verknitterten weißen Hemd, sah er aus wie ein trauriger, gebrochener alter Mann. Seinen Brandy hatte er nicht angerührt.
    Moira saß ihm gegenüber an dem geschnitzten Couchtisch, auf dem der Argus vom Vortag mit der schreienden Schlagzeile lag. Anders als ihr Mann hatte sie sich um ein gepflegtes Äußeres bemüht. Mit Mitte sechzig sah sie noch gut aus und hätte noch besser ausgesehen, wenn sich nicht eine gewisse Bitterkeit in ihr Gesicht gegraben hätte. Sie hatte ihr Haar schwarz gefärbt und ordentlich hoch gesteckt, trug ein schlichtes graues Oberteil, einen blauen Faltenrock und flache Schuhe. Geschminkt war sie auch.
    Die Wohnung war unerträglich heiß. Im Fernseher, der ohne Ton lief, rannte gerade ein Elch durchs offene Grasland. Da die Dentons die meiste Zeit in ihrer Wohnung in Spanien verbrachten, fanden sie England selbst im Hochsommer unerträglich kalt. Folglich lief die Heizung auf Hochtouren, und alle Fenster waren geschlossen.
    Brian trank sein drittes San-Miguel-Bier, und ihm knurrte der Magen, obwohl Moira ihnen eben erst ein Essen serviert hatte. Er hatte das kalte Huhn und den Salat kaum angerührt, ebenso die Pfirsiche aus der Dose, die es zum Nachtisch gab. Er hatte überhaupt keinen Appetit. Nach Reden war ihm auch nicht zumute. Sie hatten die meiste Zeit schweigend dagesessen und nur überlegt, ob Katie beerdigt oder eingeäschert werden sollte. Brian hatte nie mit ihr darüber gesprochen, doch ihre Mutter beharrte darauf, dass Katie eingeäschert werden wollte.
    Frank und seine Frau hatten sich am Vortag im Leichenschauhaus von ihrer Tochter verabschiedet und waren bei dem Gespräch eben in Tränen ausgebrochen.
    Für seine Schwiegereltern war es natürlich ein schwerer Schlag. Katie war nicht nur ihr einziges Kind gewesen, sondern das einzig wirklich Wertvolle in ihrem Leben. Katie war das Einzige gewesen, das sie verband. An einem besonders unerfreulichen Weihnachtsfest, bei dem Moira zu viel Sherry, Champagner und Baileys getrunken hatte, hatte sie Brian anvertraut, dass sie Frank nur um Katies Willen seine ganzen Affären verziehen hatte.
    »Schmeckt dir das Bier, Brian?«, erkundigte sich Frank. Er bemühte sich um einen vornehmen Akzent, um seine Herkunft aus der Arbeiterklasse zu verschleiern. Auch Moira sprach sehr affektiert und fiel nur, wenn sie getrunken hatte, in ihren alten Lancaster-Akzent zurück.
    »Ja, es ist gut. Vielen Dank.«
    »So läuft das eben in Spanien. Qualität, sage ich dir!« Plötzlich wirkte er lebhafter und hob die Hand. »Das Land wird ohnehin völlig unterschätzt – das Essen, der Wein und das Bier. Und natürlich die Preise. Manches ist ausgeschöpft, aber es gibt noch immer tolle Möglichkeiten, wenn man weiß, wie man es anpacken muss.«
    Trotz aller Trauer setzte Frank zu einer Art Verkaufsgespräch an.
    »Die Grundstückspreise verdoppeln sich alle fünf Jahre. Wer klug ist, setzt auf die kommenden Topgegenden. Die Baukosten sind niedrig und die Spanier recht fleißig. Ich habe da eine ganz fantastische Gelegenheit bei Alicante entdeckt. Ich sage dir, Brian, die Sache ist idiotensicher.«
    Brian war in diesem Moment nun wirklich nicht danach zumute, sich eine weitere plausibel klingende, aber letztlich zum Scheitern verurteilte Geschäftsidee anzuhören. Da war ihm das elende Schweigen doch lieber gewesen – dabei konnte er wenigstens in Ruhe nachdenken.
    Er trank noch einen Schluck Bier und bemerkte, dass sein Glas fast leer war. Er musste noch fahren und hatte keine Ahnung, wie die Familienbetreuerin, die wie ein Wachhund in ihrem Wagen wartete, auf eine eventuelle Fahne reagieren würde.
    »Was hast du mit deiner Hand gemacht?« Moira betrachtete das frische Pflaster.
    »Ach – hab mich nur gestoßen – als ich aus dem Wagen gestiegen bin«, sagte er beiläufig.
    Es klingelte an der Tür.
    Die Dentons schauten sich an, dann rappelte Frank sich auf und schlurfte in die Diele.
    »Wir erwarten doch niemanden«, sagte Moira.
    Frank trat wieder ins Zimmer. »Die Polizei.« Er bedachte seinen Schwiegersohn mit einem seltsamen Blick. »Sie sind auf dem Weg nach oben.« Er starrte Brian unverwandt an, als sei ihm ein finsterer Verdacht gekommen.
    Und Brian fragte sich, ob die Polizei etwas gesagt hatte, das der alte Mann ihm verschwieg.
    67
     
    IM V ERNEHMUNGSRAUM schaltete Glenn Branson die Aufnahmegeräte ein, setzte sich und verkündete klar und deutlich: »Es ist Sonntag, der 6. August, 21.12 Uhr. Detective

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