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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Vaske
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schon die ganze Zeit, warum kein Zug kommt.
    Mein Über-Ich ist grad auf dem Klo und kommt in fünf Minuten wieder.
    Nächsten Monat läuft hier der neue
Harry Potter
an, da dachte ich, ich mach schon mal ne Schlange auf.
    Aber als Björn auf mich zuschlendert, ist alles vergessen. Er begrüßt mich mit Küsschen, und er riecht unwiderstehlich gut, nach körperlicher Arbeit, mit einer Kopfnote von frischem Popcorn. Wem es gelingen sollte, diesen Duft zu kopieren, in Flakons zu füllen und als Parfüm herauszubringen, der kann die Welt beherrschen – zumindest den weiblichen Teil. Ich will seinen knackigen Studentenhintern anfassen. Sofort. Lass uns irgendwohin gehen, wo wir ungestört sind.
    »Komm, ich zeig dir das Kino.«
    Aha? Wo führt mein Eismann mich hin? Will er mir sein Reich zeigen: die Gefriertruhe? Den Kühlraum? Dann hätte ich vielleicht statt schwarzer Spitze meine Angoraunterwäsche anziehen sollen; eine Blasenentzündung wäre das Letzte, was ich mir für diesen Abend wünsche. Andererseits: Ich war noch nie hinter den Kulissen eines Kinos. Spannend! Björn geht durchs Foyer auf eine nackte Wand zu, die sich als Tür entpuppt.
    In der
Cosmopolitan
immer wieder ein gern genommenes Thema:
Die ungewöhnlichsten Orte für aufregenden Sex.
Das Kino rangiert da meist auf einem Platz im vorderen Mittelfeld, knapp vor dem Auto, dem Fahrstuhl und dem Hochsitz im Wald. Waidmannsheil. Aber – die überwachen alles, überall hängen Kameras. Zur Sicherheit, falls es brennt, eine Massenpanik entsteht oder Godzilla von der Leinwand springt. Die Bilder laufen hier im zentralen Technik-Raum auf einer Reihe von Monitoren zusammen. Andererseits schaut der gesamtverantwortliche Mitarbeiter meist sowieso nicht hin, weil er anderweitig beschäftigt ist, er verkauft Eis, hilft an der Popcorn-Maschine aus, weshalb er unter anderem so gut riecht, oder er zeigt seiner neuesten weiblichen Bekanntschaft den Vorführraum. Und die Bilder sind so verschwommen, vermutlich sähe man sowieso alles nur in Schemen, und schon gar keine Details wie Hände, Gesichter, die Speckröllchen …
    Über eine Treppe geht’s hinauf in den Raum mit den Projektoren. Jeder Film ist auf einem gigantisch großen Metallrad aufgewickelt, größer als unser Esstisch im Wohnzimmer. Zum Glück gibt’s für zu Hause DVD s.
    Wir sind allein, niemand hört oder sieht uns, und was macht Björn? Hält einen Vortrag über die Entwicklung der Projektorentechnik im Laufe der Kinogeschichte. Was ist los mit ihm, warum nimmt er mich nicht in den Arm und küsst mich? Findet er mich nicht attraktiv?
    »Sollen wir was trinken gehen …? Hey, Nicole …?«
    Ah, sorry, ich hatte schon fast nicht mehr hingehört. Ich find’s ja süß, dass er so schüchtern ist, aber tut mir leid, so viel Zeit hab ich nicht, die Uhr tickt, und MacLeod muss heute Abend noch raus in den Garten, sonst pieselt er uns das Wohnzimmer voll. Was mach ich nur? Noch zwei Stunden in einem finsteren Schuppen abhängen, mich betrinken; feststellen, dass alles zu spät ist und ungeküsst nach Hause fahren?
    Mangels Alternativen stimme ich erst mal zu: »Ja, gern.« Was bleibt mir anderes übrig? Wir gehen. Höflich lässt Björn mir den Vortritt, nacheinander steigen wir die Treppe hinab. Mist Mist Mist. Ich bin einfach unfähig, einen Kerl rumzukriegen. Vielleicht hat Björn es doch nicht so mit Frauen, oder es gibt längst eine andere. Wer weiß das schon. Ach, es wäre wohl das Einfachste, wir trinken zum Abschied noch vorn im Kino einen Kaffee, und ich fahr dann nach Hause. Allein.
    Ich werd’s ihm vorschlagen. Am Fuße der Treppe angekommen, drehe ich mich zu ihm um: »Sollen wir …«, beginne ich die Frage. Aber da rennt er mich schon um, er prallt mit Schwung auf mich, so dass ich das Gleichgewicht verliere. Er muss mich festhalten, damit ich nicht hinfalle, und da wir uns zufällig grad in den Armen liegen – küsse ich ihn!
    Kinotreppe, hui, nicht schlecht für den Anfang, »Vorführraum« können sie in dem Kinocenter jetzt an zweiter Stelle mit »e« schreiben. Auf einmal geht alles ganz schnell, wir fallen übereinander her, ich glaube, ich eher über ihn, wir reißen uns schon fast die Klamotten vom Leibe, da kriegt Björn doch noch die Kurve, er nimmt mich bei der Hand und führt mich durch den Hintereingang in einen leeren Kinosaal. Stockduster ist es hier, nur die Lämpchen auf den Stufen sorgen für etwas Licht. »Wir tauschen gerade Projektoren aus«, erklärt er,

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