Nicht Totzukriegen
mich eine Vorzugsmitgliedschaft. Normalerweise müsste ich eine Aufnahmegebühr von 59 Euro zahlen, die wird mir erlassen, außerdem zahle ich statt sechzig Euro monatlich nur vierzig. Und ich habe noch nicht mal angefangen zu feilschen! Bestimmt wären Noureddines Vorfahren auf dem Basar von Agadir längst in Tränen ausgebrochen. Ich versuche, ihn auf dreißig Euro im Monat herunterzuhandeln, aber da ist leider kein weiterer Spielraum mehr. Schade. Soll ich an einem anderen Tag noch mal wiederkommen? Ach, was soll’s, ich unterschreibe den Vertrag. Im Gegenzug bekomme ich mein Starter-Package, bestehend aus einem blau-braunen Trainings-Rucksack mit einem Trainings-Handtuch, einer Trinkflasche fürs Training, ein paar Energy-Riegeln und einem Fitness-Drink. Mit meiner Mitgliedskarte bekomme ich Rabatt in einem Nagelstudio und ein paar anderen Geschäften, die ich nicht kenne. Wahnsinn. Mir brummt der Schädel, ich bin total geschafft und das, ohne auch nur den kleinen Finger bewegt zu haben.
Den Rucksack entsorge ich im Mülleimer der Tiefgarage. Ich habe Mühe, ihn hineinzustopfen, es liegen schon drei andere drin.
Zu Hause durchwühle ich meinen Kleiderschrank nach Sportklamotten und lege die Sachen raus, die ich noch beim Training tragen könnte. Alles, was zu alt oder ausgeblichen ist, wird aussortiert. Viel bleibt nicht übrig, ein paar Shorts vielleicht, ein enges Top aus Klimafaser und zwei oder drei T-Shirts, eine hautenge Jeans kombiniert mit einer schlichten weißen Bluse und dazu dem schwarzen Spitzen- BH , der mein Dekolleté so schön zur Geltung … Halt! Falsches Thema. Wo sind meine Indoor-Turnschuhe?
Warum nur mache ich mir jetzt schon so viele Gedanken, was ich morgen Abend tragen soll? Ist doch nur ein weiteres Date. Und die Idee mit dem Lover ist sowieso Blödsinn. Als wäre ich zu einer Affäre fähig, also ehrlich. Ich habe Tom noch nie betrogen!
Ja, okay. Einmal. Kurz vor der Hochzeit, auf einer kleinen Gala, die wir in einem dieser Touristenorte am Rhein organisiert hatten, mit Hotelübernachtung, weil wir am nächsten Morgen noch aufräumen mussten. Damals hatte ich gerade als Assistentin in Johannes’ Agentur angefangen. Es war auch kein echtes Betrügen; so kurz vor meinem Ja-Wort dachte ich einfach nur, ich bring das Thema Seitensprung ein für alle Mal hinter mich, dann ist das Kind in den Brunnen gefallen, und ich muss mir deshalb keinen Kopf mehr machen. Ich weiß, klingt unlogisch, ich war auch betrunken. Und da war dieser Moderator, witzig, charmant, prominent. Na ja, zumindest war er schon mal im Fernsehen gewesen, deswegen hatten wir ihn auch engagiert. Mit dem Ich-war-Anfang-des-Jahrtausends-mal-im-Fernsehen-Mann ist es dann passiert, wir sind im selben Hotelzimmer gelandet.
Am nächsten Morgen ging’s mir richtig mies. Dieses widerwärtige, pelzige Gefühl im Mund, wenn man nachts im Vollsuff vergessen hat, sich die Zähne zu putzen. Das hatte ich, nur eben eine Etage tiefer. Den Moderator habe ich zum Glück nie wiedergesehen. Auch nicht im Fernsehen. Keine Ahnung, ob Johannes damals irgendwas mitbekommen hat. Wenn, hat er die Klappe gehalten, wofür ich ihm ewig dankbar bin.
Während ich weiter auseinanderfalte und zusammenlege, klackern die Ledersohlen von Toms Schuhen auf der Treppe; ich habe gar nicht gehört, dass mein Mann nach Hause gekommen ist. Schon steht er im Schlafzimmer, die Dessous kann ich gerade noch unter den Sportsachen verschwinden lassen.
Tom ist gut drauf und grinst verschmitzt, er sieht in diesem blauen Oberhemd umwerfend aus. In diesem blauen Oberhemd, das er heute Morgen noch nicht getragen hat! Aus dem Haus gegangen ist er in einem anderen Hemd, ich hab’s genau vor Augen, wie er an der Garderobe stand, es war modisch kariert und mit Kent-Kragen. Wo ist das geblieben? Oh, mein Lieber, ich weiß: Lippenstiftflecken gehen so schlecht wieder raus.
Er gibt mir ein flüchtiges Küsschen: »Entschuldige Schatz, ich musste noch ein paar Akten durcharbeiten.« Dann knöpft er das Hemd auf, geht ins Bad, zieht es aus und gibt es zur Wäsche.
Ich hoffe, Björn weiß mit sexy Dessous was anzufangen.
27
Warum müssen diese jungen Menschen immer so unpünktlich sein? Björn lässt mich elendig lange im Foyer des Kinos warten, bestimmt fast zwei Minuten. Da kann ich mir schon mal eine passende Ausrede zurechtlegen, falls ich überraschend jemanden treffe, den ich kenne:
Wie, das hier ist nicht der Bahnhof? Danke für den Hinweis, ich wundere mich
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