Nicht Totzukriegen
Fußballweltmeisterschaften findet sich auch eine schmale, gelbe Fibel, auf der ein MG Roadster abgebildet ist, genau so wie der von Tom.
Der Titel lautet:
How to Restore Braking Systems
. Wie repariere ich die Bremsen? Von einem gewissen Joss Joselyn. War der Mann denn nie verheiratet? Lebt er noch, oder war Mrs. Joselyn ihrem Gatten stets so in Liebe zugetan, dass sie nie auf den Gedanken kam, mal unter der Motorhaube herumzupfuschen? Sogar ich trage mich heute mit dem Gedanken, meinen Mann ins Jenseits zu befördern, und in den Siebzigern, als diese Reparaturfibel erschienen ist, waren die Scheidungsgesetze noch viel härter!
Die Einleitung liest sich verheißungsvoll: Mr. Joselyn möchte dem unkundigem Leser auf 128 Seiten die komplexe Materie der Bremssysteme auf anschauliche Weise näherbringen, mit vielen Bildern und wenig Text. Prima! Dagegen kann jede IKEA -Montageanleitung einpacken, und bei »unkundig« bin ich sowieso ganz vorn dabei: An Autos fasse ich nichts selbst an, bisher habe ich eigenhändig höchstens mal den Luftdruck der Reifen gemessen. Also, wo finde ich das Kapitel »Bremsen blockieren für Dummies«? Man weiß nie, wann man Fachwissen mal gebrauchen kann.
An diesem Morgen überfällt Johannes mich schon vor meiner Bürotür, er ist vor Begeisterung so aufgedreht wie ein Affengehege, wenn der Wärter die Bananen hineinwirft: »Woher wusstest du, dass der Chef von Bovis-Brunnen mit Patrizia Stilsken verheiratet ist?«
Sorry, etwas langsamer bitte, es ist noch früh am Morgen. Bovis-Brunnen? Das ist der Sprudelabfüller, für den ich das Eislauf-Konzept geschrieben habe. Der Geschäftsführer ist verheiratet? Sei ihm gegönnt. Aber Patricia wer? Nie gehört. Ich könnte Johannes fragen, aber den guten Eindruck, den mein Chef anscheinend grad von mir gewonnen hat, möchte ich nicht gleich wieder durch meine Unwissenheit zerstören. Zu Hilfe kommt mir ausgerechnet meine neue Kollegin, die kleine Schlampe möchte gerne an unserer Begeisterung teilhaben.
»Wer ist das?«, fragt Yvonne neugierig.
Johannes glotzt sie an, als wäre sie vor Doofheit gerade bei
Wer wird Millionär?
an der 50-Euro-Frage gescheitert. »Patrizia Stilsken? Silbermedaille 1980! Lake Placid? Die Eiskunstläuferin!«
Mir war der Name zwar auch nicht geläufig, aber so, wie Johannes diese Daten herunterrattert, scheint Patrizia Stilskens Silbermedaille 1980 in Lake Placid zur Allgemeinbildung zu gehören, also schiebe ich so selbstverständlich wie möglich nach: »Die Stilsken, klar. Hey, die Kür damals war der Hammer.«
Johannes nimmt mich mit in sein Büro, dort weiht er mich in die Details ein: Der Gemahl der Eisprinzessin ist von dem Konzept begeistert und will es mit ein paar kleinen Änderungen realisieren: Salzbergwerk fällt zwar weg, weil zu teuer; stattdessen wird – o Wunder! – die Gattin des Geschäftsführers ihr Comeback auf Kufen feiern, mehr als dreißig Jahre nach ihrem Silbermedaillentriumph bei Olympia. Hoffentlich weiß sie, was sie tut, und holt sich keinen Oberschenkelhalsbruch. Das Entscheidende aber ist: Zwonullzwo hat den Auftrag! Johannes liegt mir zu Füßen. Und als wäre dieser Morgen noch nicht schön genug, klingelt auch noch mein Handy. Es ist Björn, er möchte mich wiedersehen und schlägt vor, dass ich ihn morgen Abend der Einfachheit halber direkt im Kino abhole.
Und schon gerate ich wieder ins Grübeln: Muss ich ein schlechtes Gewissen haben? Was habe ich bisher denn getan? Mich heimlich mit einem fremden Mann getroffen. Den Ehering versteckt und Björn verschwiegen, dass ich verheiratet bin. Die Bestätigung genossen, die sein Interesse mir gibt. Aber sonst? Überlegt, in welchem Fitness-Studio ich mich anmelde. Immerhin bin ich älter als Björn, mag sein, dass er auf Spätlese steht, aber die Konkurrenz lässt nicht nach, mein Bindegewebe schon. Ich hätte längst etwas tun müssen, da ist so ein jugendlicher Verehrer doch ein willkommener Anlass.
Ich habe mich informiert: Sieben Studios stehen zur Auswahl, davon ist eines ein Wellness-Palast mit Swimming-Pool und Saunalandschaft, auf Wunsch kümmert sich ein persönlicher Fitness-Coach individuell um meine Bedürfnisse. Warum nicht? Prinzessin Victoria von Schweden hat ihren Personal Trainer sogar geheiratet. Allerdings ist der monatliche Beitrag auch fürstlich.
Studios allein für Frauen sind mir zu feministisch angehaucht, ich wittere Stutenbissigkeit und viel schlechte Laune. Die Discounter streiche ich
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