Nicht von dieser Welt
guten Glas Traubensaftschorle unterhalten, mit Blick auf unseren nach wie vor nicht fertigen Balkon, der endlich mal von der Abendsonne beschienen wurde. Es ging hauptsächlich um mich. Meine Familiengeschichte und so. Gegen elf musste ich Malo dann bitten zu gehen. Denn ich musste ja noch die Küche aufräumen und das ganze Essen runter in den Müll bringen. Oder wie würde ich Konstantin erklären, was eine perfekt gegarte, ganze Dorade in unserem Kühlschrank macht? Seufz.
Frau Bieber
Veröffentlicht am Dienstag, 16. August 2011 – 22:18
Irgendwann hat jemand seine alte Spülmaschine bei uns in den Hof gestellt. Neben die Mülltonnen. Da steht sie jetzt. Seit Wochen. Mittlerweile haben sich andere entschlossen, ihren Sperrmüll gleich dazuzulegen. Die Müllabfuhr nimmt das alles natürlich nicht mit. Das ist in Deutschland ja alles genau geregelt. So wird diese alte Spülmaschine wahrscheinlich Weihnachten noch dort stehen, wenn niemand etwas unternimmt. Dem ganzen Haus scheint es egal zu sein. Dem ganzen Haus? Nein! Johanna Bieber aus dem ersten Stock kämpft seit Wochen einen aussichtslosen Kampf gegen den anonymen Müllabsteller. Erst hat sie es mit einem Zettel an der Spülmaschine versucht (wurde vom Regen aufgeweicht), dann mit einem Aushang und schließlich ist sie von Tür zu Tür gegangen und hat jeden genau unter die Lupe genommen: Wer wirkt asozial? Wer hat eine neue Spülmaschine? Wer hat kein plausibles Alibi? Gebracht hat es nichts. Die anderen Hausbewohner (auch wir) sind längst davon überzeugt, dass jemand von außerhalb die Spülmaschine dort hingestellt hat. In Berlin werden auch Kinderwagen im Hausflur angezündet, warum soll man da nicht auch seinen Sperrmüll irgendwo im Hinterhof abstellen?
Warum erzähle ich das? Weil Frau Bieber ein Problem werden könnte. Nicht wegen der Spülmaschine (auch wenn wir sehr verdächtig waren, weil wir beim Einzug eine komplett neue Küche bekommen haben), sondern wegen Malo. Er wollte mich heute während Bens Mittagsschlaf besuchen. Ich war gerade noch dabei, mein „Arbeitszimmer“ von Bens Spielzeugen zu befreien, da höre ich Malos vertraute Stimme im Treppenhaus. Die erkennt man sofort. Tief, aber nicht zu tief. Beruhigend, aber auch fest und entschlossen. Und mit wem redet er? Mit Frau Bieber. Deren Stimme erkennt man auch sofort. Schrill. Ich schieße sofort zur Tür und reiße sie auf. Bekomme noch Frau Bieber mit: „… ich versteh nicht, wie Menschen so etwas machen können!“
Ihr Tonfall klingt, als ob sie von Völkermord redet, aber:
„Was kommt als Nächstes? Ein kaputtes Auto im Hausflur?“
Aha. Sie redet von ihrem Lieblingsthema. Entdeckt mich. Und sagt: „Sie haben wirklich einen reizenden Cousin! Reizend!“
Cousin? Malo lächelt mich freundlich an.
„Hallo Vanessa!“
Ich habe gemacht, dass er in die Wohnung kommt und wir Frau Bieber loswerden. Was macht die überhaupt in unserem Stockwerk? Denke ich noch, während ich die Tür hinter Malo schließe. Da sehe ich ihren Blick. Wie sie Malo hinterherschaut. Und denke: Oh … mein … Gott!
Man muss dazu sagen: Frau Bieber ist ein klassisches Mauerblümchen. Sie sieht aus wie sechzig, ist aber wahrscheinlich nicht mal fünfzig. Als Kreuzberger Mauerblümchenvariante eine totale Biofanatikerin und, nun ja, sehr umweltbewusst, besonders was die Mülltrennung und Müll im Allgemeinen angeht. Aber Männer spielen in ihrem Leben, soweit ich das nach den letzten acht Monaten beurteilen kann, keine Rolle. Eigentlich habe ich sie bisher auch nur verspannt und unfreundlich erlebt. Aber wie sie Malo anschmachtet … Au weia. Und mir wird klar: Natürlich finden auch andere Frauen diesen Mann attraktiv. Dass es nun ausgerechnet Frau Bieber sein muss, ist nicht so toll, aber natürlich: Der Kerl ist der Hammer. Was ich aber ganz sicher nicht gebrauchen kann, ist, dass sie jetzt ein gesteigertes Interesse an Malo zeigt und am Ende auch noch Konstantin nach … meinem Cousin fragt. Nach meinem Cousin?
„Mein Cousin?“, frage ich Malo mühsam beherrscht, als er endlich in der Wohnung ist.
„Tut mir leid. Sie hat mich schon öfter hier gesehen, sagt sie. Der Führer sagt immer, dass ‚Cousin‘ nah, aber auch unverbindlich klingt.“
Seufz. Nun ist er also mein Cousin. Ich habe zwar einen Cousin, aber … Lassen wir das. Das Gute ist, dass Konstantin Frau Bieber nicht ausstehen kann (und andersherum), seit sie einmal wegen eines nicht ordnungsgemäß gefalteten Bobby-Car-Kartons
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