Nicht von dieser Welt
großen Abend ein Alibi gegeben hatte. Vom Film habe ich nicht allzu viel mitbekommen. Nur dass Keira Knightley als psychisch Kranke so intensiv gespielt hat, dass es mich körperlich anstrengte. Wahrscheinlich aber nur halb so sehr, wie die Leute hinter mir angestrengt waren, weil Anja die ganze Zeit gequatscht hat. Der Film fing um acht an. Ich war erst zehn vor acht da, um zu langen Unterhaltungen aus dem Weg zu gehen. Also redete Anja eben während des Films. Ich hätte es ahnen müssen. Sie ist schließlich der einzige Mensch, den ich persönlich kenne, der während eines Kinobesuchs ans Handy geht.
Sie fragt also immer wieder nach meinem Chef Stefan Müller. Erst mehr oder weniger geschickt: Wie denn die Arbeit mit ihm ist, wieso er denn so gut mit Ben kann, was Konstantin über ihn denkt usw. Ich weiche aus oder halte die Antworten knapp. Auch den Leuten hinter uns zuliebe. Als die schließlich anfangen, „Sch“ zu machen, und Anja sie anzischt, dass sie leise sein sollen (!), reicht es mir dann: „Ja, verdammt, ich war kurz davor, mit ihm eine Affäre anzufangen. Habe ich aber nicht. Jetzt gib endlich Ruhe!“
Passenderweise fing dann Jung (Michael Fassbender) auf der Leinwand eine Affäre mit seiner Patientin (Keira Knightley) an. Was in dem Fall mindestens genauso verboten war wie in meinem. Allerdings trotz Psychoanalyseproblematik nicht halb so kompliziert. Aber man kann Anja nicht mit den Worten „Es ist kompliziert“ abspeisen. Es geht einfach nicht. Ich musste nach dem Film zwar die Müdigkeit nicht einmal vortäuschen, wegen der ich schnell nach Hause wollte. Doch dafür sind wir nun für morgen Abend verabredet. Sie kommt zu mir, wenn Konstantin im Restaurant ist und Ben schläft. Um sich alles erzählen zu lassen.
„Jedes schmutzige kleine Detail“, wie Anja sagte. Ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin, jemandem die ganze Wahrheit zu sagen. Wir werden sehen …
Anja
Veröffentlicht am Donnerstag, 24. November 2011 – 10:18
Der Abend mit Anja war gar nicht das Problem. Sie war vorgestern hier. Wir haben einen gemütlichen „Mädchenabend“ gemacht mit einem Glas Weißwein (den ich mal wieder mit Apfelschorle simuliert habe) und Geschichten über Männer. Sie hat mir von ihren neusten dramatischen Affären berichtet. (Anja hat auf einer Dating-Seite ihren Nachbarn (!) empfohlen bekommen – wie wahrscheinlich ist das? Und trotzdem was mit ihm angefangen. Desaster!) Im Gegenzug erwartete sie dann die „schmutzigen Details“ von Malo und mir, bzw. sie kennt ihn ja als meinen Chef Stefan Müller. Ich habe nicht alles preisgegeben. Das mit dem Kuss und meinen Gefühlen runtergespielt und schon mal überhaupt nichts davon erzählt, dass er E.T. ist. Das hat sie sich alles sehr aufmerksam angehört und mit erstaunlich wenig Nachbohren geschluckt.
Die Quittung kam gestern. Ich hatte es tunlichst vermieden, auf ihre mehr oder weniger geschickten Nachfragen nach der Lage unseres Büros irgendetwas Konkretes zu sagen. Aber ich muss dann doch in einem Nebensatz erwähnt haben, dass wir gerne in der Mittagspause in die Markthalle gehen, weil man dort leckere vegetarische Sachen für ihn findet. Als wir gestern am Biobuffet saßen und eine vegetarische Reispfanne aßen, kam – was für ein Zufall – Anja vorbei.
Malo hat natürlich geglaubt, dass es ein Zufall war, sie zu uns gebeten und schon war ich abgemeldet, denn sie hat ihn nach feinster Anja-Art angeflirtet. Aber das ist noch nicht alles. Wir hatten uns nämlich soeben über Fußball unterhalten. Ja, schon wieder. Das Thema lässt Malo nicht los. Am Vorabend war er in irgendein Fußballspiel im Fernsehen gestolpert und rätselte nach wie vor darüber, warum die ganzen Leute bei der Kälte dort rumstanden und auch noch so gut gelaunt waren.
Da sagt Anja plötzlich: „Wir können doch mal zur Hertha gehen.“
Es ist mir ehrlich gesagt neu, dass Anja überhaupt weiß, dass es in Berlin einen Fußballverein mit dem Namen „Hertha“ gibt. Im Vergleich zu ihr bin ich geradezu fanatisch an Fußball interessiert. Sie hasst es nicht nur, sondern kennt weder die Abseitsregel noch überhaupt eine Regel. Und dann haut sie so eine lockere Formulierung raus, als ob sie das jede Woche macht. Das Dumme ist, dass Malo wirklich nicht weiß, dass man das in Berlin machen kann und sofort angefixt ist. Plötzlich hat Anja ihr iPhone in der Hand und findet raus, dass die Hertha sogar am Samstag spielt. Und: „Mein Chef kann uns Karten besorgen.
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