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nichts als die wahrheit

nichts als die wahrheit

Titel: nichts als die wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Teilzeitkraft bei Dr. Carl?
    Seit drei Monaten war das bei ihnen Thema, meistens nach zehn Uhr abends, wenn er vor Müdigkeit die Zähne nicht mehr auseinanderkriegte. Er verstand einfach nicht, was sie wollte. Einen Schoßhund, ein Schmusetier? Um Himmels willen, so was lehnte sie natürlich ab. Einen Schutzhund? Das war nie falsch, fand er, auch auf dem Dorf nicht. Ein Dobermann wäre eine gute Wahl, zur Not auch ein Rottweiler. Oder ein Schäferhund.
    »Ein Deutscher Schäferhund – das also empfiehlt der Bulle seiner Frau!« war ihr spöttischer Kommentar gewesen.
    Er mochte es nicht, wenn sie spöttisch wurde. Vor allem, weil eigentlich er derjenige war, der Grund zum Spotten hatte. Sie hatte sich nämlich eine ganz spezielle Hunderasse in den Kopf gesetzt – modebewußt, wie sie war. Einen Malamud. Ausgerechnet.
    »Das ist ein Schlittenhund, Beate!« hatte er ihr zu erklären versucht, mit aller Geduld, die er aufbringen konnte. »Der will laufen! Laufen! Laufen!«
    »Aber er hat so schöne Augen!«
    Frauen gehen nie nach Äußerlichkeiten, das wußte man ja. Aber dafür haben sie immer das letzte Wort.
    »Und außerdem«, hatte sie noch schnell hinzugefügt, bevor er auch nur den Mund aufmachen konnte, »würde es gar nichts schaden, wenn du täglich wenigstens einmal Bewegung kriegst.«
    »Ich?« Er war ehrlich empört gewesen.
    Sie hatte gar nichts gesagt, nur an ihm herauf- und heruntergeguckt.
    Kosinski klopfte sich aufs Bein. An seiner Figur war nichts auszusetzen – rappeldürr, wie immer. Oder? Er kniff sich in die Seite. Manche Kollegen hatten, seit sie nicht mehr rauchten, zehn Kilo zugelegt. In drei Monaten.
    »Jetzt, wo du nicht mehr rauchst …« Sie wußte genau, wo es weh tat.
    Er hatte kampflos aufgegeben und »Mach, was du willst« gesagt, mit geduldigem Entsagen in der verständnisvollen Stimme. Was er dachte, war weniger höflich: daß man auf solche Ideen nur kommt, wenn man nicht ausgelastet ist, zum Beispiel. Und daß das alles ganz anders aussähe, wenn sie ihren alten Vater noch zu pflegen hätte. Und daß der neue Halbtagsjob bei einem Frauenarzt sie wohl nicht richtig ausfüllte.
    Wirst schon sehen, Beate, hatte er sich gesagt. Mich wirst du nicht mit der Töle durch die Gegend jachtern sehen.
    Kurz hinter Ottersbrunn nahm er die Abkürzung über den Feldweg. Er durfte das, im Gegensatz zu anderen. Er hatte schließlich immer ein Anliegen. Aus dem Wäldchen vor dem Aussiedlerhof, der sich »Kettle Ridge Dairy« nannte – der Name stand auf einem braunen Holzschild, darunter eine im Stil des Neuen Infantilismus gemalte weißbraune Kuh –, stiegen eine dünne Rauchfahne und ein stechender Geruch auf. Er kurbelte sein Fenster herunter und bremste, worauf sich zwei Krähen mißgelaunt keifend aus der noch dampfenden Müllkippe erhoben.
    Kosinski erkannte verrostete Bettgestelle, den Rest einer Matratze, Kanister, Drahtgeflecht und die Trommel einer Waschmaschine. Der halbe Scheuneninhalt mußte hier angezündet worden sein. Das war nicht nur verboten, sondern eine Schweinerei. Kosinski griff zum Funktelefon und sagte der zuständigen Polizeidienststelle Bescheid. Man drückte ja schon sämtliche Augen zu hierzulande, aber was zu weit ging, ging zu weit.
    Hinter der Kurve kam ihm Frau Doktor entgegengejoggt, wie immer in grüner Jacke, mit einem dunkelroten Turban um den Kopf und leicht gerötetem Gesicht. Alle nannten sie so, obwohl sie keine Ärztin war. Sie war vor zwanzig Jahren in Heckbach aufgetaucht, hatte sich ein bucklichtes Haus direkt neben dem Schweinestall von Hansmann gekauft, war erst nur zum Wochenende, dann immer häufiger gekommen und schließlich geblieben. Sie malte Bilder; er hatte sich eine Ausstellung in Pfaffenheim mal angetan und mit der ganzen Farbkleckserei nicht viel anfangen können. Sie schien das auch nicht zu erwarten.
    Man wurde alt miteinander, dachte Kosinski. Jahr um Jahr waren ihre Haare grauer und ihre Wangen ein bißchen schlaffer geworden. Früher hatte sie öfter mal die Liebhaber gewechselt. Seit einigen Jahren wurde nur noch einer regelmäßig gesehen. Erst gestern hatte er den hochgewachsenen Mann neben ihrem Schuppen die Axt schwingen sehen.
    Gut, daß sie einen hatte, der für die Wärme und das Brennholz sorgte.
    Er fuhr langsam an ihr vorbei, hob die Hand und grüßte. Dann gab er Gas und nahm die Steigung Richtung Heckbach. Die Kneipe hieß zwar »Rauschendes Brünnlein«, aber der Name stand einem gut gezapften Pils nicht im Wege.
    Der

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