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nichts als die wahrheit

nichts als die wahrheit

Titel: nichts als die wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Krankenhaus?«
    »Seit wann?« Die Frau sah sie voller Abwehr an. »Woher soll ick denn det wissen?«
    Anne guckte ihr hinterher. Eine liebevolle Nachbarschaft mußte was Schönes sein. Dann folgte sie Amber, die schweifwedelnd im Flur stand, und füllte ihr noch einmal Wasser in den Trinknapf. Wenn Peter sich morgen nicht meldete, würde sie sich wieder um das Tier kümmern müssen. Entschlossen ging sie in sein Büro, nahm ein weißes Blatt aus dem Drucker, registrierte, daß der Computer wieder an irgend etwas zu arbeiten schien – »Unnötige Stromvergeudung« dachte die geizige Landfrau in ihr – und schrieb: »Ich hab’ mich um deinen Hund gekümmert. Wo bist du? Melde dich gefälligst! Anne.«
    Noch immer stand Amber im Flur und sah sie aus freundlichen braunen Augen an. Plötzlich spürte sie, wie einsam sie sich in den letzten Tagen gefühlt hatte. Sie kauerte sich hin, legte die Arme um den Hund, atmete den Geruch des weichen schwarzen Fells ein und ließ die Tränen laufen.
    Willkommen in der Hauptstadt, Anne Burau, dachte sie.

8
    »Darf ich bitten?« Die Frau mit dem glatten schwarzen Madonnenhaar und dem dunkelroten Seidentuch um den Hals, die ihm gegenüber saß, deutete auf das Brot. Jonathan reichte ihr den Brotkorb und wunderte sich im stillen. Sie war die Frau eines amerikanischen Schriftstellers, aber sogar mit ihm sprach sie Deutsch. So viel Höflichkeit dem Gastgeberland gegenüber war bei seinen Landsleuten ungewöhnlich – es mußte wohl der Einfluß des Ambientes sein. Selbst der israelische Kollege, ein sonnengebräunter Militärhistoriker, der aussah, als ob er in Tel Aviv den ganzen Tag in kurzen Khakihosen und mit der Uzi unter dem Arm herumlief, war zum Abendessen mit Krawatte erschienen.
    Nur Frei fühlte sich heute nicht in Form. Er stocherte in seinem Salat und wunderte sich nicht, daß Agneta es mittlerweile aufgegeben hatte, die Konversation mit ihm aufrechtzuerhalten. Er gab einsilbige Antworten. Er verstand nicht gleich, was sie sagte. Er war abgelenkt. Konfus. Verwirrt.
    Mit allem möglichen hatte Jonathan Frei gerechnet, nur nicht damit, daß er die blonde Frau von gestern abend so schnell wiedersehen würde – und auch noch an diesem Ort: Kollwitzstraße 54, Hinterhaus … Was hatte sie in der Wohnung eines Mannes zu tun, der, nach allem, was er wußte, entweder ein Spinner oder ein Betrüger oder beides war?
    Sie hatte ihn seltsam berührt, diese schmale Gestalt mit den wehenden blonden Haaren und dem schwarzen Hund an ihrer Seite, dessen Hinterteil vor lauter Schwanzwedeln um sich selbst zu kreisen schien. Sie ging mit ausgreifenden Schritten, ohne Zögern, und noch aus der Distanz sah man die Mischung aus Stolz und Melancholie in ihrem Gesicht. Und dann war sie im Hinterhaus verschwunden.
    Im Haus Peter Zettels, vor dem er schon seit einer halben Stunde Wache schob.
    »Das ist der Mann«, hatte Vic gesagt. »Peter Zettel. Journalist. Find heraus, was er hat.«
    Das war leicht gesagt – aber ans Telefon war niemand gegangen. Also hatte er sich auf den Weg gemacht, zu Zettels Adresse. Auf mehrfaches Klingeln machte niemand auf. Warum er gewartet hatte, obwohl er der Angelegenheit keine große Bedeutung mehr beimaß? Er wußte es selbst nicht mehr.
    Sicherheitshalber hatte er sich auf die andere Straßenseite gestellt und von da aus das Hinterhaus beobachtet, das man durch den Torbogen erkennen konnte. Zettel war weder gekommen noch gegangen. Nur sie. Was hatte sie dort zu suchen? Was hatte sie mit dem Mann zu tun? War sie die Frau, Freundin, Geliebte? Was wußte sie?
    »Die ganze Nacht hindurch! Das arme Ding hat die ganze Nacht hindurch geweint!«
    Frei war dem Disput am Nachbartisch nur mit halbem Ohr gefolgt, weshalb die plötzliche Eskalation des Konflikts ihn überraschte. Es ging offenbar wieder um das Thema, das, soviel er seit seiner Ankunft mitgekriegt hatte, das ganze Kolleg beschäftigte und die versammelten Geistesheroen mitsamt Anhang in zwei Lager gespalten hatte. Ein Geologe aus Kanada, begleitet von seiner Frau, über die Carl Vetter, der Literaturwissenschaftler aus Belgien, behauptete, sie sei ebenso knochig wie humorlos, wurde von den einen der grausamsten Tierquälerei bezichtigt, während ihn die anderen für einen vernünftigen Mann hielten, der seinem Tier statt Sentimentalitäten artgerechte Haltung bot. Warum? Weil der Kanadier seinen Hund nicht in der Wohnung, sondern auf der kleinen Terrasse vor dem Appartement hielt, das das Paar auf dem

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