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nichts als die wahrheit

nichts als die wahrheit

Titel: nichts als die wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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er hätte versuchen sollen, sich rauszureden?«
    Sonnemann wurde es sichtlich unbehaglich.
    Karen seufzte tief auf und legte ihm dann versöhnlich die Hand auf den Arm. »Und was ist dran am Gerücht, daß die Meldung falsch war?«
    »Eine gefälschte Meldung?« Er guckte sie an, als ob er sich so etwas nicht einmal im Traum vorstellen konnte. Karen registrierte interessiert, daß er »gefälscht« sagte, obwohl sie lediglich von »falsch« gesprochen hatte.
    »Ich kann dem gern nachgehen lassen, aber …« Er zuckte die Schultern.
    »Tu mir den Gefallen«, flüsterte sie zurück. Sie waren im Saal angelangt, und der nächste Vortrag hatte schon begonnen.
    Zufrieden lehnte sie sich in ihren Stuhl zurück. Sie war, glaubte sie, für heute ihrer Pflicht nachgekommen.

11
    Berlin
     
    Seit einiger Zeit gab sie sich nicht mehr die Mühe, sich anzukleiden – auch nicht, wenn er sie besuchte. Hans Beckers Mutter saß im Nachthemd und im Morgenmantel am Tisch im Aufenthaltsraum, an den Füßen die pelzbesetzten Pantoletten, die er ihr vor zwei Jahren geschenkt hatte, und aß ein Käsebrot, als ob nichts wichtiger sei auf der Welt. Ihre Augen waren andächtig ins Weite gerichtet, und Mund und Kinn bewegten sich so langsam, als ob jede Minute und jeder Brosamen ausgekostet werden müßten.
    Sie hatte ihm zur Begrüßung die Wange hingehalten, wie sie es immer tat. Er spürte noch die trockene, warme, papierdünne Haut auf seinen Lippen und hatte ihren Geruch in der Nase. Ihr Parfüm benutzte sie noch.
    Seit einer halben Stunde hielt sie sich in einem anderen Universum auf – irgendwo, wo er nicht vorkam. Ihn überraschte das mittlerweile nicht mehr. Ihre Begegnungen waren in den letzten Wochen von Mal zu Mal wortkarger und einseitiger geworden. Letzte Woche hatte sie ihn in den ersten Minuten gar nicht erst erkannt – er erinnerte sich mit Schrecken an ihr verschlossenes Gesicht, an die zusammengepreßten Lippen, an das abwehrende »Wer sind Sie?«, das sie schließlich hervorstieß, nachdem Frau Wittek, die ihn zu ihr gebracht hatte, gegangen war. Völlig übergangslos, wie ihm schien, erzählte sie ihm fünf Minuten später eine rührende Episode aus seiner Kindheit – »Als Hansi noch klein war«.
    Der Korridor zwischen ihr und der Welt begann sich zu verengen. Bald würde niemand mehr hindurchgehen können.
    Er küßte sie zum Abschied und schloß leise die Tür. Die Zeiten, in denen sie das Leben hätte »tipptopp« und »1a« nennen können, waren für Inge Becker vorbei. Hans ging durch den Tiergarten zurück, die Augen auf den Boden gerichtet, weil er nicht in die hauptstädtische Hundekacke treten wollte. Er hatte schließlich erst vorgestern seine Stiefel geputzt. Kurz hinter dem Brandenburger Tor schlug er einen Haken und ging ins Büro – zum Trost. Andere mochten ihre Hobbies haben oder ihre Familie, aber er ging ins Büro, wenn er sich ablenken wollte.
    Summend brühte er sich in der Küche einen Tee auf.
    »Wohnst du eigentlich hier?« hatte Paula ihn kürzlich gefragt.
    Sie hatte das ironisch gemeint – aber es stimmte: Das Büro war sein eigentliches Zuhause. Dort, wo er nachts sein Bett hatte, war er nicht daheim. Aber das ging niemanden etwas an.
    »Hast du eine Frau? Wohnst du bei deiner Mutter? Hast du eine Freundin? Oder gar – einen Freund?« Paula hatte immer wieder versucht, ihn auszuquetschen – erfolglos. Natürlich.
    Hans Becker nahm die Tasse mit zum Schreibtisch, auf dem schon die Sonntagszeitung lag. Wenn man nichts sagte, hörten die Menschen irgendwann auf zu fragen. Und außerdem war er beruhigenderweise nicht interessant genug für anhaltende Neugier.
    Nur Peter Zettel wußte mehr. Nicht nur das, was er ihm in einem Anfall von Redseligkeit anvertraut hatte. Selbst dran schuld, dachte Becker und faltete die Zeitung auseinander. Aber daß er von Mona wußte – das schmerzte ihn mehr, als er sich hatte eingestehen wollen, vor zwei Wochen, als Zettel davon angefangen hatte.
    »Du hast ja ziemlich gute Karten bei unserem Journalistennachwuchs.« Zettel hatte im Türrahmen zu Beckers Büro gelehnt, Zigarillo in der schmalen Hand, den Fuß im hellbraunen Lederslipper angewinkelt, ein Bild entspannter Urbanität. Manchen Leuten schien das angeboren zu sein.
    »Tja«, hatte Becker sich sagen hören und sich wie ein ungehobelter Klotz gefühlt dabei.
    »Aber in deine ungelüftete Junggesellenbude würde ich Paula auch nicht mitnehmen wollen.«
    Ihm hatte es die Sprache verschlagen. Keiner

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