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nichts als die wahrheit

nichts als die wahrheit

Titel: nichts als die wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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hatte jemals seine Wohnung gesehen – hatte er bis dato gedacht. Woher wußte Zettel …?
    »Wie lange mußt du denn noch zahlen?«
    Ein Leben lang – aber was geht dich das an? hätte er damals am liebsten gerufen. Aber er war stumm geblieben.
    »War sie’s wert, Hansi?«
    Wer Peter Zettel nicht kannte, hätte die Wärme in seiner Stimme für Mitleid gehalten. Für einen Moment hatte sogar Hans daran glauben wollen – daß nicht nur ihm die Geschichte mit Mona weh tat. Aber als er aufblickte in Zettels braune Augen, sah er darin nichts als das naturwissenschaftliche Interesse, das kleine Jungs beim Fröschesezieren haben. Er war eine Versuchsanordnung, sonst nichts.
    Becker berührte die dünne weiße Narbe an seiner rechten Schläfe. Dort hatte ihn die Vase erwischt, die Mona im Streit nach ihm geworfen hatte, damals, in den besseren Zeiten. Er seufzte und schob die Zeitung beiseite. Manchmal schmerzte ihn die Abwesenheit Monas mehr als das Geld, das er für sie abzahlte. Sie hatte in ihm ihren Dummen gefunden – und der wäre er auch gern geblieben. Das würde ein Mensch wie Zettel wahrscheinlich nie verstehen.
    Zettel hatte kein Mitleid. Zettel war ein Egomane, den nichts antrieb als eine Neugier, die, schwante Hans, gegenstandslos war. Zettel würde sich für alles interessieren – fürs Katzenfoltern und Menschenmalträtieren. Wenn man nur eine Geschichte daraus machen konnte.
    Einen Moment lang fragte Becker sich selbstkritisch, ob er sich bloß deshalb in Rage redete, damit er die Skrupel besser loswürde, die ihn Umtrieben. Er spionierte hinter seinen Kollegen her – etwas, das er im Grunde seines Herzens für unentschuldbar hielt. Dann schüttelte er solche Überlegungen mit einem Ruck ab, stand auf, ging über den Flur zu Zettels Büro und loggte sich in dessen Computer ein.
    Glöckchen klingelten, eine Stimme sagte »Willkommen!«, und wieder war er drin in Zettels Computer. Nach seinem letzten Besuch auf der Festplatte hatte sich in seinem Kopf ein vager Verdacht geformt. Zielstrebig ging er ins Internet und klickte »Lesezeichen« an. Das Fenster, das sich öffnete, hatte nur wenige Einträge. Zettel hielt sich offenbar regelmäßig in einschlägigen Datenbanken auf und war zu Gast im Katalog der Staatsbibliothek. Außerdem war er Kunde von amazon.de , dem Buchversand, und von eBay, der virtuellen Börse, auf der man alles und jedes er- und versteigern konnte. »Colt« nannte sich ein weiteres Lesezeichen. Neugierig klickte Becker sich ein. Er landete bei einem Militariahändler.
    Nach einem kurzen Blick in die seltsame Welt der Waffenfetischisten verließ er das Internet und wechselte in das Verzeichnis von Zettels Textdateien. Unter dem Namen »Brot« fanden sich säuberlich aufgelistet alle Beiträge, die Zettel nach Beckers Wissen in den letzten Monaten geschrieben hatte. Das war nicht weiter interessant. »Müll« nannte sich ein Verzeichnis, in dem sich nur eine Datei fand. Nicht das, wonach Becker suchte – die gefälschte dpa-Meldung. Sondern eine Liste mit Daten und Zahlen, mit der er nichts anfangen konnte. Ohne groß nachzudenken, ließ er die Liste ausdrucken. Vielleicht konnte er sich ja später einen Reim darauf machen.
    Fast hätte er die Suche aufgegeben. Hinterher konnte er nicht mehr sagen, warum er dann doch den Ordner noch angeklickt hatte, den Ordner namens »Rente«. Aus Neugier – oder aus Langeweile? Er hatte jedenfalls nicht erwartet, etwas Interessantes zu finden, weshalb er erst nicht begriff, wieso die einzelnen in diesem Ordner enthaltenen Dateien jeweils den Namen eines der Redaktionsmitglieder des Berliner Büros vom »Journal« trug.
    Dabei war da gar nichts zu begreifen: Zettel hatte zu jedem und jeder fein säuberlich erarbeitete Dossiers angelegt.
    Unter »Menzi« hatte er absonderliche sexuelle Riten dokumentiert, die Isolde Menzi offenbar pflegte. Hans fühlte sich sittlich und moralisch durch nichts erschütterbar, aber die praktische Durchführung des Geschilderten überforderte sein Vorstellungsvermögen.
    Unter »Sonnemann« war, wie er beim flüchtigen Durchblättern feststellte, die Erkrankungsgeschichte von dessen Frau festgehalten, einer Ärztin, die Alkoholikerin war – ein Tatbestand, der sie den Job kosten konnte, trotz des womöglich erfolgreichen Entzugs, über den Zettels Notizen auch berichteten.
    Was er unter Lillys Nachnamen fand, verblüffte ihn so, daß er die Eintragungen fast laut vorgelesen hätte. Wenn das stimmte, was Zettel hier

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